Franz Lenk (1898-1968). Der entwirklichte Blick

Franz Lenk, der 1898 in Langenbernsdorf in Sachsen geboren wurde und 1968 in Schwäbisch Hall starb, zählt zu den herausragenden Vertretern neusachlicher Malerei und einer neuen Romantik, die Ende der 1920er-Jahre einsetzte. 1916 bezog er die Dresdner Kunstakademie und schloss sein durch den Kriegsdienst unterbrochenes Studium 1924 ab. Mit dem Umzug nach Berlin begann Lenks künstlerischer Aufstieg: Er nahm an Ausstellungen in Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und den USA teil, zählte 1932 zu den Mitbegründern der Gruppe „Die Sieben“, und wurde 1933 als Professor für Landschaftsmalerei an die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst Berlin berufen. Das Amt legte er 1938 nieder.
In der Zeit der Weltwirtschaftskrise trafen Lenks in altmeisterlicher Technik gemalten, stillen und naturverbundenen Bilder den Nerv der Zeit. Vor allem seine Landschaftsbilder – darunter zahlreiche Darstellungen der von ihm geliebten Bodenseelandschaft – beziehen sich auf künstlerische Vorbilder vergangener Epochen und öffnen sich zugleich weiterreichenden Deutungsspielräumen. Nach 1945 setzte der Maler seine künstlerische Arbeit ohne größere stilistische Brüche in Süddeutschland fort.
Die Ausstellung, die Bilder aus über 20 öffentlichen und privaten Kollektionen versammelt, präsentiert Lenks Werk im Überblick und zeigt Portraits, Stillleben und Landschaften. Werke seiner Künstlerkollegen aus der Gruppe „Die Sieben“ –Theo Champion, Adolf Dietrich, Hasso von Hugo, Alexander Kanoldt, Franz Radziwill und Georg Schrimpf – ergänzen die Darstellung. Biografische und kunsthistorische Erkenntnisse, unter anderem zu Lenks Weltsicht und zu deren Manifestation in seiner Malerei sowie zur ambivalenten Haltung des Künstlers in den Jahren 1933 bis 1945 komplettieren das Bild eines bislang weitgehend unterschätzten Künstlers des 20. Jahrhunderts.
Die Ausstellung, zu der ein Katalog erscheint, entstand in Zusammenarbeit mit der Städtischen Galerie Dresden.
Wandel und Krise – Kunst in Konstanz 1965 bis 1985
Flower Power, 68-Revolte, Frauen- und Anti-Atomkraft-Bewegung: Die Jahre zwischen 1965 und 1985 waren eine Zeit bedeutsamer gesellschaftlicher Umbrüche und Veränderungen, die bis heute nachwirken. Nach dem Wirtschaftsboom der Nachkriegszeit forderte eine junge Generation Ende der 60er-Jahre politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Mitbestimmung. Menschen schlossen sich zu Bürgerinitiativen zusammen, protestierten gegen den Vietnamkrieg, das verstaubte Hochschulwesen und für die sexuelle Selbstbestimmung. Musikalisch begleitet wurde das Aufbegehren vom Pop, Rock und Beat eines Paul McCartney oder der Rolling Stones. Auch in Mode, Design und Haushalt schlugen sich Hippiekultur, Friedensbewegung und das Weltraumzeitalter nieder. Möbel, Kleidung und Tapeten wurden mit schrill bunten Mustern versehen und nahmen bisweilen futuristische Formen an. Diese alle Lebensbereiche durchdringende Aufbruchstimmung, verstärkt durch das ungehemmte Vertrauen in die technischen Errungenschaften und den Vorstoß ins All, entfesselte einen nahezu grenzenlosen Fortschrittsoptimusmus. Doch RAF-Terror, die Ölkrise 1973, die wachsende Angst vor der Atomkraft und die Warnungen des Club of Rome trübten die Euphorie.
Auch in der Kunst brach in den 60er-Jahren eine neue Ära an. KünstlerInnen lösten sich vom traditionellen Kunstverständnis und suchten neue, unkonventionelle Wege: zahlreiche Kunstrichtungen – Pop, Op, Minimal, Arte Povera, Land Art, Fluxus, Happenings und Konzeptkunst – entstanden, die auch in den öffentlichen Raum hineinwirkten. Kunst sollte für alle zugänglich und erschwinglich sein. In den 80er-Jahre prägte ein in diesem Maße noch nie dagewesener Stilpluralismus die Kunstlandschaft. Die Postmoderne, die sich aus dem Bildfundus vergangener Epochen bediente, erlebte ihre Blütezeit. Doch auch die Kunst musste ihre Grenzen erkennen…
Unsere diesjährige Sommerausstellung beleuchtet die spannenden Aspekte und Strömungen der Kunst in Konstanz zwischen 1965 und 1985. Sie lenkt den Blick auf die eigene Sammlung und wird von wenigen privaten Leihgaben ergänzt. Werke bekannter KünstlerInnen wie Burkhart Beyerle, Tabea Blumenschein, Johannes Dörflinger, Wolfgang Glöckler, Erich Keller, Ulrike Ottinger und Otto Piene werden ebenso präsentiert wie Positionen weniger bekannter KünstlerInnen wie Anna Diederichs, Elisabeth Honold, Peter und Ille Wieczorek(-Bartelt) sowie Werke der für die Kunst-am-Bau der neuen Universität Konstanz tätigen deutschen KünstlerInnen, die es zu entdecken lohnt. Eine Zeitung zum Mitnehmen führt gedanklich zurück in die zerrissene, stürmische und außergewöhnliche Zeit, die stilistisch schon längst ihr Revival erfahren hat.
My Ullmann (1905-1995). Bilder, Bühne und Kunst am Bau
Maria Ullmann, die 1905 in Wien geboren wurde und 1995 in Konstanz starb, zählt zu den BegründerInnen des Kinetismus, einer avantgardistischen Kunstrichtung, die sich um 1920 im Umfeld der Wiener Kunstgewerbeschule entwickelte. Ausgehend von dem griechischen Wort kinesis (Bewegung) suchte man rhythmische Komposition und die Darstellung simultan ablaufender Bewegungsprozesse in einer Komposition zu vereinigen. Ullmann, die seit 1921 an der Wiener Kunstgewerbeschule studierte und wegweisende Werke des Kinetismus schuf, signierte ihre Arbeiten seit dieser Zeit mit My, der lateinischen Transkription des griechischen M ihres Vornamens.
Nach dem Abschluss ihres Studiums arbeitete My Ullmann als Kunstgewerblerin, Werbegraphikerin sowie Bühnen- und Kostümbildnerin. Ihre von zahlreichen Ortswechseln bestimmte Karriere führte sie u. a. in die Schweiz, wo sie 1931 die Ausstattung der Geistlichen Spiele in Luzern verantworte und für das Zürcher Stadttheater Bühnenbilder und Drucksachen schuf. 1933/34 wurde sie Reklamechefin des Schuhhauses Leiser in Berlin und unterrichtete an der dortigen Textil- und Modeschule. Seit 1934 war sie als Bühnen- und Kostümbildnerin für Theater in Berlin, Leipzig, Münster, Dortmund und Gelsenkirchen tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltete Ullmann, die als überzeugte Katholikin den Nationalsozialismus stets abgelehnt hatte, als Innenarchitektin u. a. den Crusader Country Club der Royal Navy in Travemünde, entwarf Gobelins und ließ sich 1959 in Münster nieder, wo sie my studio eröffnete und sich auf künstlerische Raum- und Wandgestaltungen spezialisierte. Viele ihrer in den 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre als Kunst am Bau entstandenen Werke, in denen sie oftmals an ihr kinetistisches Frühwerk anknüpfte, existieren heute nicht mehr. 1975 zog My Ullmann nach Konstanz, wo sie künstlerisch jedoch nie in Erscheinung trat und zwanzig Jahre später weitgehend vergessen starb.
Während Ullmanns frühe Gemälde und Graphiken Aufsehen erregten, hat sich die Kunstgeschichte nie für ihr nach 1930 entstandenes Werk interessiert. Die Städtische Wessenberg-Galerie Konstanz hat sich auf Spurensuche begeben und eine vielseitig tätige Künstlerin entdeckt, die zeitlebens durch selbstbewusste Eigenwilligkeit und einen unkonventionellen Lebensstil auffiel.
Die Ausstellung, zu der ein Katalog erscheint, entsteht in Zusammenarbeit mit dem Museum für Angewandte Kunst Wien.