Tábor (CZ)
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Hochburg der Hussitenbewegung

Als Konstanz und die südböhmische Stadt Tábor Partner wurden, teilte noch der Eiserne Vorhang Europa. Über ideologische Grenzen hinweg, entgegen aller bürokratisch-politischer Hürden und vor allem trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – der tragischen gemeinsamen Vergangenheit schlossen die beiden Städte eine Freundschaft, die mittlerweile über 30 Jahre besteht. Die Schicksale der Partnerstädte sind jedoch bereits seit Jahrhunderten eng miteinander verwoben und vor allem mit einem Namen verbunden: Jan Hus. Während des Konstanzer Konzils wurde der böhmische Reformator – trotz Zusicherung freien Geleits – wegen seiner Kritik an den damaligen Kirchenverhältnissen als Ketzer verurteilt und am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Diese tragischen Geschehnisse machten Hus damit zum Märtyrer und waren der Auslöser der Hussitenbewegung, deren Mittelpunkt in Tábor lag. Darum finden dort seit 1992 die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten „Táborer Begegnungen“ statt, an denen u.a. historische Nachfolger, aber auch Gegner der Hussitenbewegung teilnehmen. Dann verwandelt sich Tábor in eine mittelalterliche Stadt mit Marktleuten, Handwerkern, Gauklern und Ritterkämpfen. Die einmalige Atmosphäre lockt auch jedes Jahr hunderte Konstanzer BürgerInnen, Vereine sowie VertreterInnen der Stadt nach Tábor.

Auch sonst ist die mit rund 35.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Südböhmens dank ihrer reichen Geschichte, ihren architektonischen Sehenswürdigkeiten und der interessanten Lage eine Reise wert: So ist der sanft gewellte Rand der Táborer Hügellandschaft mit dem Fluss Lužnice ein idealer Ort für Sportler und Camper. Im historischen Stadtzentrum, das 1961 zum städtischen Denkmalreservat erklärt wurde, gibt es wiederum verwinkelte Gässchen, reich verzierte Renaissancehäuser, das prunkvolle Rathaus, die Burg Kotnov und das älteste Wasserreservoir Mitteleuropas zu entdecken – oder auch das „Konstanzer Haus“ mitten in der Altstadt. In Verbindung mit der „Städtepartnerschaft Konstanzer Haus in Tábor GmbH“ ist es ein Symbol für die vielfältige Palette gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Kontakte zwischen den BürgerInnen beider Städte. Auf Konstanzer Seite ist neben der 2004 auf den Namen „Tábor“ getauften Fähre der Stadtwerke vor allem das Hus-Haus am Schnetztor Symbol der deutsch-tschechischen Freundschaft.
Vereinigung der Städte mit hussitischer Geschichte und Tradition
Geschichte der Städtepartnerschaft
Der eigentlich tragische Ausgangspunkt der gemeinsamen Geschichte war die Verbrennung der beiden böhmischen Kirchenreformatoren Jan Hus und Hieronymus von Prag während des Konstanzer Konzils. Dieses düstere Ereignis verband die Stadt am Bodensee mit der Hussitenhochburg in Tschechien seit dem Mittelalter.
Das Hus-Haus in der Konstanzer Hussenstraße 64 bildet heute als kleines Museum nicht nur die Geschichte von Jan Hus ab, sondern dessen Renovierung war die erste Brücke, die durch den „Eisernen Vorhang“ nach Tábor führen sollte. Arrangiert von Kaufmann Herbert Schenk trafen sich 1979 die Verantwortlichen zur ersten Sondierung im Táborer Hotel Palcát. Beide Seiten waren sich einig, dass nach der Instandsetzung durch tschechische und deutsche Handwerker eine Partnerschaft der nächste Schritt sein könnte. Zunächst sahen die politisch Verantwortlichen die ideologischen Unterschiede kritisch und es vergingen noch einige Jahre bis zur offiziellen Partnerschaft. Dank der stetigen Bemühungen von Oberbürgermeister Dr. Horst Eickmeyer (Konstanz) und dem Vorsitzenden des Stadtnationalausschusses Bürgermeister Karel Bican (Tábor) wurde am 12.07.1984 der Städtepartnerschaftsvertrag unterzeichnet. Konstanz war damals die zweite bundesdeutsche Stadt, die eine Partnerschaft mit einer tschechoslowakischen Stadt einging. Ein mutiger Entschluss angesichts der politischen Lage und Teilung Europas in zwei Blöcke. Der „Eiserne Vorhang“ und die „Berliner Mauer“ waren noch längst nicht gefallen. So war es eine echte Herausforderung, den Brückenschlag zwischen Menschen herzustellen, die in völlig verschiedenen Gesellschaftsordnungen lebten.
Bei den mehrtägigen Feierlichkeiten 1984 in Tábor präsentierten 140 KonstanzerInnen ihre Stadt. Manche überwanden die fast 600 km Distanz auf zwei Rädern. Für die musikalische Untermalung sorgte neben dem Konstanzer Kammerchor auch der Musikverein Allmannsdorf, unter anderem mit einem extra dafür komponierten Stück „Saluta“, und freundete sich mit der tschechischen Kapelle „Metro“ an. Auch die Feuerwehren beider Städte knüpften erste kameradschaftliche Kontakte. Es gab eine Fotoausstellung zur Stadt am Bodensee und einen Malwettbewerb der Schulen. Die Presse titulierte die „Konstanzer Woche“ in Tábor als großen Erfolg, und für das nächste Jahr wurde schon eine Tábor-Woche in Konstanz geplant.
Trotz des guten Starts war die Partnerschaft in den ersten Jahren von Geduldsproben geprägt. Beide Parteien bemühten sich um den weiteren Aufbau von Kontakten, was jedoch oft am Realsozialismus der Prager Zentrale scheiterte. Während KonstanzerInnen immer wieder nach Tábor reisten, wurden Besuche von tschechischer Seite aufgrund fehlender Visa oft abgesagt. Eine private Unterbringung in Familien war undenkbar. So war es anfangs sehr schwierig, dem Wunsch der beiden Begründer Bican und Eickmeyer zu entsprechen und das bürgerliche Miteinander von unten aufzubauen. 1989 wurde Bican abgelöst und der neue Parteigenosse war deutlich weniger an der weiteren Zusammenarbeit interessiert. Den eisigen Wind bekamen die KonstanzerInnen deutlich zu spüren. Die „Samtene Revolution“ im selben Jahr brachte jedoch den entscheidenden Durchbruch. Nach der politischen Wende entwickelte sich die Städtepartnerschaft zu einer völlig neuen Dimension.
Das Hussitische Festival „Táborer Begegnungen“, mit dem Tábor schon seit 1992 und bis heute auf internationaler Ebene seine mittelalterliche Geschichte und Identität feiert, wird zum großen Schauplatz und Dreh- und Angelpunkt der Städtepartnerschaftsaktivitäten. Von Anfang an vertreten KonstanzerInnen ihre Stadt bei diesem Spektakel. Zu den regelmäßig Mitwirkenden auf der Festbühne und beim Umzug gehören die Konstanzer Musikvereine, Fanfarenzüge, Chöre, Fahnenschwinger und viele mehr. Auch eine Abordnung der Feuerwehr ist jedes Jahr mit dabei.
Pünktlich zu den Begegnungen 1994 wurde mit der Einweihung des im gemeinsamen Besitz befindlichen Konstanzer Hauses und der Gründung der „Städtepartnerschaft Konstanzer Haus in Tábor GmbH“ mitten in der Altstadt ein bedeutsames Symbol geschaffen, das die Städtefreundschaft fest verankert.
Im darauffolgenden Jahr folgte ein historischer Zug von Prager Hussiten auf den Spuren von Jan Hus von Tschechien nach Deutschland. Ihr Ziel war ein Begegnungsabend der Partnerstädte in Konstanz. Bis heute reisen Hussiten nach Konstanz, um an den jährlich stattfindenden Gedenkfeiern zum Todestag von Jan Hus teilzunehmen. Um diesen Geschichtsbezug weiter zu untermauern, trat die Stadt Konstanz 2002 der „Vereinigung der Städte mit Hussitischer Geschichte und Tradition“ bei. Der Städtebund mit sechs deutschen und zwölf tschechischen Mitgliedsstädten hat sich einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zur Pflege der hussitischen Tradition verschrieben.
Die Städte Tábor und Konstanz sind in den vier Jahrzehnten zusammengewachsen. Die Städtepartnerschaft ist mittlerweile von einer vielfältigen Palette gesellschaftlicher, kultureller, künstlerischer und sportlicher Kontakte zwischen Vereinen und den Bürgerinnen und Bürgern beider Städte geprägt. Freundschaften wurden auch abseits der offiziellen Veranstaltungen geknüpft und haben bis heute Bestand. Bei Tennis, Karate, Leichtathletik oder Floorball fordern sich die SportlerInnen beider Städte regelmäßig heraus. So schwingen zum Beispiel seit 2011 Táborer Jugendliche beim Schmugglerbucht-Cup des Tennis-Clubs Konstanz ihre Schläger. Die Sektion Konstanz des Deutschen Alpenvereins macht zusammen mit dem Táborer Touristenklub Wanderausflüge. AnglerInnen beider Städte gehen zusammen auf Fischfang. Nach der Wende konnte schon 1991 ein SchülerInnenaustausch etabliert werden, der bis heute junge Menschen der Konstanzer Gymnasien und ihrer Partnerschulen in Tábor zusammenbringt. Und auch die langjährige Schulpartnerschaft der Zeppelin-Gewerbeschule Konstanz mit einer berufsbildenden Schule in Tábor ist hier noch zu nennen.
Dies sind nur ein paar Beispiele der zahlreichen Querverbindungen. Die Städtepartnerschaft Konstanz – Tábor ist eine große Bereicherung für beide Seiten - sie schaffte freundschaftliche Verbundenheit, intereuropäische Perspektiven und Zusammenarbeit, sie ist zu einem Inbegriff der Völkerverständigung geworden und letztlich ein elementarer Baustein bei der Zielsetzung eines geeinten Europas!



