Das Standesamt – Begleiter durch das ganze Leben

Die Arbeit des Bürgeramts Teil 6

Der schnellste Weg zum Konstanzer Standesamt: Alexander Bielitzer, Leiter des Standesamtes, an der hölzernen Zugangstüre in der Hussenstraße 13

„Wenn die Menschen von StandesbeamtInnen sprechen, dann meist im Zusammenhang mit Hochzeiten. Das ist sicher eine unserer schönsten Aufgaben, aber unsere Arbeit ist weit umfangreicher“, erklärt Alexander Bielitzer, Leiter des Standesamts. StandesbeamtInnen erfüllen wichtige Aufgaben innerhalb des Rechtssystems. Sie erfassen die familienrechtlichen Verhältnisse nach den Vorschriften des Personenstandsgesetzes und beurkunden die Personenstandsfälle in den Personenstandsregistern, also Geburten, Sterbefälle, Eheschließungen, Vater- und Mutterschaftsanerkennungen, Kirchenaustritte und Namenserklärungen aller Art. Mehrere Tausend Urkunden im Jahr stellt das Standesamt für frühere und derzeitige Konstanzer BürgerInnen aus. Hinzu kommen Dienstleistungen für Melde-, Staatsangehörigkeits- und Ausländerbehörden, Jugendämter, Notare, Familien- und Nachlassgerichte und zahlreiche weitere Behörden und Privatpersonen sowie für ausländische Konsulate und Botschaften.

„Die Rechtsfolgen durch die Beurkundungen sind sehr gewichtig. Ohne Urkunde geht es in vielen Fällen nicht weiter“, berichtet Alexander Bielitzer. Denn wenn zum Beispiel keine Geburtsurkunde vorliegt, kann weder Kinder- noch Erziehungsgeld beantragt werden, ohne Sterbeurkunde ist es nicht möglich, eine Hinterbliebenenrente zu beantragen. „Die Vorgänge sind oft komplex, gerade auch weil wir viele Personenstandsfälle mit ausländischem Bezug bearbeiten.“ Da sich das deutsche Rechtssystem teilweise erheblich von ausländischen Rechtssystemen unterscheidet, kommt es auf das Fachwissen der StandesbeamtInnen an. Sie müssen Kenntnisse über ausländisches Ehe-, Familien- und Namensrecht, einschließlich des internationalen Privatrechts, haben. Darüber hinaus sind Kenntnisse des Eheschafts-, Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts sowie der wichtigsten Entscheidungen der obersten Gerichte erforderlich. Die Anforderungen, welche Dokumente benötigt werden, ändern sich häufig. Ein kleiner Überblick soll im Folgenden die Herausforderungen illustrieren, denen sich das neunköpfige Team bei der Arbeit gegenübersieht:

Feststellung der Ehefähigkeit: Eine Heirat zwischen zwei deutschen PartnerInnen ist meist unproblematisch, auch wenn schon eine frühere Eheschließung vorliegt, da Geburts- und Eheregister vorhanden sind und die Ehefähigkeit dadurch einfach feststellbar ist. Schwieriger wird es bei Paaren, von denen eine/r AusländerIn ist oder sogar beide. Hier muss eine Ledigkeitsbescheinigung und/oder ein Ehefähigkeitszeugnis vorgelegt werden. Diese amtliche Bescheinigung bestätigt, dass einer Eheschließung nach der Rechtsordnung des ausländischen Ausstellerlandes keine Ehehindernisse entgegenstehen, also insbesondere kein Mangel der Ehefähigkeit bzw. kein Eheverbot. „Die Herausforderung ist dabei, dass viele Länder solche Dokumente nicht ausstellen, so zum Beispiel Indien, USA, Kanada und viele afrikanische Länder. Im europäischen Bereich machen es dagegen viele“, so Bielitzer. Um trotzdem hier heiraten zu können, führt das Standesamt eine Vorprüfung der Ehefähigkeit durch und bezieht als Aufsichtsstelle das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) mit ein. Da eine umfangreiche Dokumentation eingefordert wird, sollten betroffene Paare mit einem Jahr Vorlauf vor der Heirat rechnen. So muss die deutsche Botschaft Dokumente auf Echtheit überprüfen, bevor sie an das OLG Karlsruhe weitergegeben werden können. Das OLG prüft sie und spricht im positiven Fall eine Befreiung von der Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses aus. Diese ist sechs Monate gültig. Erst nach diesem OLG-Bescheid dürfen die Paare heiraten. „Wir müssen jedes ausländische Recht beachten, genauso wie das deutsche. Das erfordert umfangreiche, komplexe Prüfungen“, erklärt der Leiter des Standesamts. So gibt es auch den Fall der so genannten „hinkenden Namensführung“. Dabei handelt es sich um Staaten, die eine Namensänderung generell untersagen. So behalten bspw. Frauen in Italien auch nach der Heirat ihren Mädchennamen. „Wir machen dann darauf aufmerksam, dass es Probleme in Italien geben könnte, wenn eine italienische Staatsangehörige den Namen ihres Mannes annehmen will.“ Wer sich entscheidet zu heiraten, kann seit anderthalb Jahren den Online-Traukalender nutzen. Wenn ein Trautermin gebucht wird, nimmt das Standesamt Kontakt auf zur Prüfung der Ehefähigkeit und für die Anmeldung der Eheschließung.

Personenstandsfälle von Auslandsdeutschen: Die Grenzlage zur Schweiz ist mit dafür ausschlaggebend, dass in Konstanz viele Nachbeurkundungen für Deutsche, die sich im Ausland aufhalten, durchgeführt werden. Denn seit einer Änderung des Personenstandrechts 2017 ist das Standesamt zuständig, in dessen Bereich die/der Betroffene ihren/seinen letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Vorher hatte diese Fälle das Auslandsstandesamt Berlin I beurkundet. „Wir bearbeiten von Geburten, Ehen über Vaterschaftsanerkennungen bis hin zu Namenserklärungen fast alles für Auslandsdeutsche auf der ganzen Welt“, sagt Alexander Bielitzer.

Namenserklärungen: Die Grundlage für die Beurkundung einer Namenserklärung bilden in Deutschland die Abstammung und die Identität. Um die Geburtsurkunde eines Kindes zu erstellen, werden die Geburtsurkunden und Heiratsurkunden der Eltern benötigt. Daraus ergeben sich die Abstammung und die Schreibweise des Namens. In Deutschland können die StandesbeamtInnen auf Melde- und Geburtenregister zurückgreifen. Solche Systeme gibt es nicht in allen Ländern. Grundlegend ist, wie die Namensführung in der ausländischen Urkunde beurkundet wurde. „Wir müssen dann auch prüfen, ob die Urkunden echt sind“, erklärt Alexander Bielitzer. Kompliziert wird es, wenn keine Dokumente vorliegen. Dies betrifft zum Beispiel ukrainische Geflüchtete, die aufgrund der Kriegssituation keine Unterlagen anfordern können oder keine Dokumente mitnehmen konnten.

Sterbefälle: Eine besondere Herausforderung sind amtliche Bestattungen. Wenn sich nach einem Todesfall keine Angehörigen melden, recherchiert das Standesamt in Kooperation mit der Abteilung Öffentliche Sicherheit des Bürgeramtes, ob Angehörige bei anderen Standes- und Meldeämtern ausfindig gemacht werden können. Wenn kurzfristig keine Angehörigen ermittelt werden können, muss die Gemeinde eine amtliche Bestattung anordnen. Dies passiert auch, wenn Rückmeldungen, vor allem bei einem Wegzug des Angehörigen ins Ausland, auf sich warten lassen oder Gefahr im Verzug ist. 2022 wurden 33 amtliche Anordnungen für eine Bestattung getroffen. „Die Tendenz ist steigend. Im 1. Quartal 2023 hatten wir schon 15 Anordnungen“, erklärt Alexander Bielitzer.

Geburt: Bei Geburten können wie im Fall von Heirat und Namenserklärung fehlende Dokumente der Eltern einen komplizierten Beurkundungsprozess anstoßen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Zuwanderungswelle seit dem Jahr 2015, in dem viele Geflüchtete nach Deutschland kamen. Oft werden keine, bzw. nur lückenhafte Dokumente vorgelegt. Welcher Maßstab bei der Akzeptanz der Dokumente angelegt wird, liegt im Ermessen der StandesbeamtInnen. Es müssen viele Gesichtspunkte kombiniert und schlüssig zusammengefügt werden. Nur in wenigen Fällen kann auf einen ähnlichen Sachverhalt rückgeschlossen werden. Ist wennein Sachverhalt nicht abschließend zu ermitteln, so gilt der Annäherungsgrundsatz. Die Beurkundung einer Geburt kann nicht einfach aufgrund mangelnder Dokumente abgelehnt werden, sondern es liegt im Ermessen, ob die Kindeseltern oder die verstorbene Person mit einer lückenhaften Eheurkunde dennoch als verheiratet beurkundet werden.

Kontakt: Derzeit ist das Standesamt aufgrund von großen Personalausfällen nur sehr eingeschränkt erreichbar. Das betrifft vor allem die telefonische Erreichbarkeit – Anfragen bitte schriftlich unter standesamt@konstanz.de, das Team meldet sich schnellstmöglich und bittet um Verständnis und Geduld. An die baldigen Ehepaare: Vereinbarte Trautermine finden statt. Vorsprachetermine sind lediglich nach vorheriger Vereinbarung möglich. Onlineangebote umfassen Kirchenaustritte, Urkundenanforderungen und den Traukalender.

(Erstellt am 11. August 2023 14:30 Uhr / geändert am 11. August 2023 14:40 Uhr)