Redebeiträge der Fraktionen zum Nachtragshaushalt

Der Podcast zu Gemeinderatssitzung vom 17. Dezember ist leider in einigen Bereichen lückenhaft. Aufgrund eines technischen Defekts konnten nicht alle Beiträge der Rätinnen und Räte aufgezeichnet werden. Deshalb werden einige Fraktionsbeiträge hier auf der Homepage veröffentlicht.

Beitrag der SPD zum Nachtragshaushalt

Redebeitrag von StR Dr. Jürgen Ruff

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst vielen Dank an die Kämmerei für die Vorbereitung des Nachtragshaushalts. Im Gegensatz zum ursprünglichen Doppelhaushalt, der noch ohne Netto-Neuverschuldung auskam, ist nun mit rund 4,7 Mio. € zum ersten Mal seit 2011 eine solche Kreditaufnahme vorgesehen. Und dabei ist die eigentlich notwendige Risikovorsorge bzgl. der voraussichtlich steigenden Kreisumlage noch gar nicht berücksichtigt. Es heißt, das sei dem Klimaschutz geschuldet. Aber ist das richtig oder gar notwendig oder gefährdet es nicht vielmehr unsere Investitionsfähigkeit für die Zukunft, für die schon heute in der Finanzplanung eine Verdreifachung der Schulden in nur 4 Jahren vorgesehen ist? Die Kämmerei warnt selbst, dass bei voraussichtlich weiter sinkenden Steuereinnahmen die Haushalte ab 2021 kaum ausgeglichen werden können und dass man „rechtzeitig gegensteuern“ müsse. Leider fehlt dem vorliegenden Entwurf für 2020 dieser Weitblick, von Gegensteuern keine Spur.

Konjunkturell gesehen sind wir heute noch nicht in einer Notsituation, die Schulden erfordert, um mit Investitionen dagegenhalten zu können. Im Gegenteil, die Bauwirtschaft boomt derartig, dass wir mit ständig steigenden Preisen rechnen müssen, wenn es überhaupt noch gelingt, über Ausschreibungen die zur Umsetzung notwendigen Firmen und Handwerker zu bekommen. Es würde unter diesen Bedingungen geradezu an ein Wunder grenzen, wenn wir die 2020 auf fast 50 Mio. € anwachsende Summe an Investitionen, davon 25 Mio. neu für Baumaßnahmen, tatsächlich bewältigen könnten. Das ist einfach unrealistisch und die sogenannte „Bugwelle“ nicht ausgeschöpfter Mittel wird ganz sicher nicht substanziell kleiner werden. Es wäre jetzt also genau die richtige Zeit, endlich Prioritäten zu setzen und uns auf die Investitionen zu konzentrieren, die wirklich notwendig sind und vor allem auch gefördert werden. Das wären an erster Stelle unsere Schulen und selbstverständlich und keinesfalls an letzter Stelle, wirksame Klimaschutzmaßnahmen, vor allem in den Bereichen der Energieeinsparung, der regenerativen Energieerzeugung und einer weitgehend emissionsfreien Mobilität.

Den meisten Menschen ist inzwischen klar, dass ernsthafter Klimaschutz auch bedeutet, sich einschränken zu müssen und auf das eine oder andere Überflüssige zu verzichten, insbesondere im Konsumbereich. Hier machen wir das Gegenteil. Es werden Schulden aufgenommen, nur um keine Prioritäten setzen zu müssen und es werden zusätzlich Projekte für 2020 aufgenommen, die nun wirklich keine akute Notwendigkeit haben, schon gar nicht für den Klimaschutz, wie z.B. die Herrichtung der Konzilmole oder des Eingangsbereichs des Rathauses. Beides ist zwar auch in unseren Augen sinnvoll aber nicht heute, wo anderes wichtiger ist. Wir haben deshalb unter anderem eine Verschiebung dieser Projekte beantragt - nicht deren Streichung. Eine Mehrheit im Rat ist uns leider nicht gefolgt. Auf der anderen Seite haben wir in diesem Jahr ganz bewusst auf unser „Mantra“ verzichtet, wieder auf die Sanierung der Marktstätte zu pochen, für die bereits vor Jahren der Planungswettbewerb und die Bürgerbeteiligung abgeschlossen wurden. Ein Millionenprojekt, das angesichts der nötigen Neujustierung der Prioritäten nun aber auch noch etwas warten kann.

Also kurz, bei vernünftiger Betrachtung ist es keineswegs notwendig, Schulden aufzunehmen, wir haben trotzdem noch lange keinen Sparhaushalt und können damit die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz auch für die kommenden Jahre sichern.

Womit wir beim sogenannten Klimahaushalt wären.Selbstverständlich ist es wichtig und richtig, positiv klimarelevante Maßnahmen auch als solche im Haushalt auszuweisen und ihre Kosten zu beziffern, damit letztlich auch ihre Effizienz bewertet werden kann. Ebenso ist es gut, dass viele solche Klimaschutzmaßnahmen neu in den Haushalt aufgenommen wurden, darunter auch solche, die vor einem Jahr noch abgelehnt wurden, wie das von uns beantragte Mobilitätsmanagement. Auch dass es mehr Geld und Stellen für Klima- und Energiemanagement geben wird, ist gut und richtig. Der European Energy Award und eine Solaroffensive standen auch schon in unserem Kommunalwahlprogramm und sind natürlich nur zu befürworten. Entscheidend wird auch sein, dass es einen CO2-Rechner geben wird, mit dem die Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen berechnet werden kann; nur so ist eine Erfolgskontrolle möglich.

Allerdings halten wir die Darstellung von Klimaschutzmaßnahmen in der vorliegenden Form eines Klimahaushalts für sehr fragwürdig bis kontraproduktiv. Damit wird sozusagen das Pferd von hinten aufgezäumt, denn nicht die klimarelevante Wirksamkeit von Maßnahmen steht dabei im Vordergrund, sondern die plakative Ausgabe von 5 Mio €, was marketingtechnisch sicher nett ist aber über die tatsächlich wirksamen Klimaschutzanstrengungen herzlich wenig aussagt. Und dafür gibt es einige Beispiele.

Die Ausgaben für ein flächendeckendes Dokumentmanagementsystem z. B. sind zwar wichtig und für eine effizient arbeitende Verwaltung auch notwendig und werden von uns durchaus unterstützt aber eine direkte Klimarelevanz ist hier nicht erkennbar. Im Gegenteil, eine Gesamtbilanz unter Berücksichtigung des Energieverbrauchs für Rechner, Server und Cloudlösungen könnte am Ende sogar negativ ausfallen. Auf jeden Fall gehören diese gut 300.000 € nicht in den Klimahaushalt. Es hat so den Anschein, als soll der damit nur aufgeblasen werden, um irgendwie auf die 5 Mio. zu kommen. In dieser Form kann „heiße Luft“ auch im übertragenen Sinne klimaschädlich sein.

Die Ausgaben für ein Kommunikationskonzept wurden zwar von 150.000 auf 100.000 € reduziert. Für uns ist das angesichts merkwürdig zugeordneter und meist unkonkreter Maßnahmen noch zu viel. Konkrete Aktivitäten wie Information, Aufklärung und Motivation für eigenes klimafreundliches Handeln, wie die Solaroffensive-Kampagne, sind wichtig und werden von uns jederzeit und wenn nötig auch durch außerplanmäßige Finanzierung unterstützt. Aber die Säule „temporäre Gestaltung eines autofreien Stephansplatzes“ mit sogenannter Bespielung am 2. Mai ist zwar eine auch für uns gute Maßnahme und kann zeigen, wie die Innenstadt lebenswerter gestaltet werden kann, für die CO2-Bilanz bringt es aber herzlich wenig, vielmehr fahren die Autos dann halt woanders hin und stoßen am Ende vielleicht sogar mehr CO2 aus. Im Klimaschutzkommunikationskonzept hat also auch das im Grunde nichts zu suchen. Was dagegen definitiv fehlt, ist der Wiederaufbau der Plattform für umweltfreundliche Mobilität auf dem städtischen Internetportal. Drei Jahre lang gab es das auf Initiative des Förderverein Mobilitätszentrale, dann fiel es dem Relaunch des Portals zum Opfer und wurde trotz mehrfacher Versprechen bis heute nicht wieder eingerichtet. Dies wäre ein konkretes Projekt, das auch im Kommunikationskonzept – Säule Mobilität – seinen Platz haben könnte.

Letztes Beispiel: die Deckungsreserve! Hier sollen knapp 900.000 € ohne jede sachliche Bindung eingestellt werden, obwohl dies klar unseren bisherigen Haushaltsgrundsätzen widerspricht und ganz offensichtlich nur dazu dienen soll, am Ende auf eine Summe von 5 Mio. zu kommen. Ich erinnere mich noch gut, wie gegen die schon zitierte und von uns damals geforderte Einstellung der Marktstättensanierung in die mittelfristige Finanzplanung damit argumentiert wurde, dass man die Kosten dafür nicht exakt beziffern könne. Heute macht es die Verwaltung umgekehrt, stellt Geld ohne konkrete Bindung ein, um wie der Oberbürgermeister im HFA sagte, zu zeigen, dass hier noch Luft nach oben sei – man könnte auch sagen, weil es an konkreten Ideen fehlt. Das geht aus unserer Sicht gar nicht. Dann lieber nur die Kosten für konkrete Maßnahmen auflisten und wenn dabei eine Summe von 5 Mio plus herauskommt, gut und ein Grund, dem Haushalt das Etikett „Klimahaushalt“ zu verpassen, und wenn nicht, zwar nicht gut aber wenigstens ehrlich. OB Burchardt meinte im HFA, der Klimahaushalt solle schließlich keine Mogelpackung sein, wir meinen, so wie er aufgestellt ist, ist er genau das, eine Mogelpackung!

Dabei bräuchten wir uns als Gesamtstadt keineswegs verstecken. Die städtischen Töchter, allen voran WOBAK, SWK und EBK investieren sehr viel Geld in die Reduktion von Energieverbrauch und CO2-Emission und nehmen dafür auch hohe Schulden auf. Wir sind also weit weg von der sprichwörtlichen „Schwarzen Null“ und wenn wir alle klimarelevanten Maßnahmen zusammen nehmen würden, kämen wir als Gesamtstadt weit über die plakativen 5 Mio. Eine solche Zusammenstellung mit allen Maßnahmen, deren Kosten und deren Wirksamkeit ist sogar dringend notwendig, um ganz konkret beurteilen zu können, wie weit wir in Sachen Klimaschutz gekommen sind und was noch an Handlungsbedarf mit größter Hebelwirkung ansteht. Wir erwarten deshalb einen solchen umfassenden Bericht als Teil der öffentlichen Berichterstattung zum Klimaschutz durch den OB.

Jederzeit unterstützen wir konkrete und wirkungsvolle Maßnahmen für den Klimaschutz. Eine Marketingmaßnahme wie dieser Klimahaushalt, der dann auch noch eine aus unserer Sicht unnötige Schuldenaufnahme rechtfertigen soll, unterstützen wir dagegen nicht und werden deshalb den Nachtragshaushalt in den Punkten 1 und 3 ablehnen, nur der geänderte Stellenplan findet unsere Zustimmung.
Wir hoffen, das sehen auch andere hier im Rat so.

Vielen Dank!

Beitrag der Linken Liste zum Nachtragshaushalt

Redebeitrag von StR Simon Pschorr:

Ich halte mich kurz, denn zu den Klimafragen wird Herr Reile etwas sagen. Der Haushalt macht eines richtig, nämlich im richtigen Zeitpunkt Schulden aufzunehmen. Aktuell sind die Kreditzinsen niedrig, teilweise negativ – darauf hat Kollege Faden abgehoben. Da ist Schulden aufnehmen richtig; nicht deswegen, weil wir keynesianisch denkend Wirtschaftsförderung betreiben wollen, sondern aus ganz „egoistischen“ Motiven, nämlich um eine gute Haushaltslage für unsere Kommune, d.h. für unsere Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Einen Grundfehler macht der Haushalt allerdings: Es wird Geld für Prestigeprojekte ausgegeben, anstatt Prioritäten zu setzen. Da kann ich mich dem Kollegen Ruff anschließen. Es werden Baumaßnahmen eingeplant, die wir nächstes Jahr garantiert wieder verschieben werden, anstatt sie durchzuführen. Dazu gehört unter anderem eine nicht notwendige Sanierung des Rathauseingangs. Anders gesagt: Der Oberbürgermeister möchte gerne vor seiner Haustür kehren. Dass es nicht Aufgabe städtischer Investitionspolitik. Investitionen sind wichtig und richtig, wenn sie in Infrastruktur erfolgen, die unsere Bürgerinnen und Bürger brauchen. Das sind z.B. die Schulen, die wir schon jahrelang vor uns herschieben. Mit dem Nachtragshaushalt haben wir 21 (!) Projekte aus 2019 in das nächste Jahr verschoben. Das wird nächstes Jahr bei steigendem Investitionsvolumen kaum besser werden.

Das liegt nicht daran, dass unsere Verwaltung etwa inkompetent wäre – ganz im Gegenteil; unsere Leute arbeiten sehr gut! – das resultiert daraus, dass sie mit viel zu vielen Aufgaben konfrontiert werden und viel zu wenig Personal da ist, um diese Aufgaben abzuarbeiten. Da muss ich dem Kollegen Ewerke widersprechen: Tatsächlich stehen wir vor der Problematik, dass wir Investitionen notwendige Infrastruktur vor uns hergeschoben haben und diese notwendigen Investitionen jetzt umgesetzt werden müssen. Und da können wir nicht darüber diskutieren, ob wir beispielsweise eine Kernsanierung der Geschwister-Scholl-Schule durchführen müssen. Wenn wir diese und andere notwendige Investitionen weiter aufschieben, wird es im Laufe der nächsten Jahre bei steigenden Preisen auf dem Baumarkt noch teurer werden. Schaffen wir lieber jetzt die erforderlichen personellen und materiellen Grundlagen, um Erforderliches anzugehen, statt den Preisen hinterherzulaufen. Aber das geht nur, wenn wir den Haushalt ansonsten zusammenhalten; und dafür müssen die Prestigeprojekte des Oberbürgermeisters eben dran glauben.
Zum Klimahaushalt wird Herr Reile jetzt sprechen. Vielen Dank.

Redebeitrag von StR Holger Reile

Liebe Gäste, Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen, Kollegen,
 
Aufgrund der fast schon schmerzensgeldpflichtigen übervollen Tagesordnung nur einige Anmerkungen zum sogenannten „Klimahaushalt“. Wir werden uns der Stimme enthalten, weil in Zeiten des dramatischen Klimawandels - den nur noch Verschwörungstheoretiker und unerschütterliche Ignoranten bezweifeln – konkretere und auch mutigere Schritte angebracht wären. Ein Meilenstein, Herr Oberbürgermeister, ist ihr Klimahaushalt keinesfalls. Für einen solchen hatten Sie übrigens acht Jahre Zeit.
 
Es ist ja nicht so, dass gar nichts passiert, - das will ich gar nicht behaupten – aber der uns vorgelegte Maßnahmenkatalog erinnert in seiner Gänze doch eher an das „Klimapaketchen“ der Bundesregierung – ist also alles andere als der große Wurf, den viele in unserer Stadtgesellschaft nach der Ausrufung des Klimanotstandes erwartet und auch erhofft haben. Diese Erwartungshaltung wurde im übrigen auch geschürt durch diverse – aber leider auch oft sehr unkritische - Presseberichte und öffentliche Auftritte des Oberbürgermeisters, der es halbwegs geschickt verstanden hat den Eindruck zu erwecken, hier bei uns entstünde umgehend ein blühendes Öko-Paradies. Dem ist mitnichten so. Wer beispielsweise in der Bürgerschaft die Hoffnung streut, die Bebauung im Büdingen-Park führe zu einem ökologischen Vorzeigeprojekt, der muss sich schon fragen lassen, wie es um seine eigentlichen Ziele bestellt ist. Und, Herr Burchardt, das Kommunikationskonzept hat übrigens den strengen Geruch eines vorgezogenen OB-Wahlkampfs.
 
Fünf Millionen Euro sollen nun für den Klimahaushalt in die Hand genommen werden. Mit Verlaub, damit dümpeln wir im Nasenwasserbereich und liefern bestenfalls einen kühlenden Tropfen auf den überhitzten Stein. Allein diese Summe brauchen wir jährlich, um eine längst fällige Verkehrswende einzuleiten , die immer noch ein Schattendasein führt. Stichworte: Autofreie Altstadt – Nulltarif beim ÖPNV, zumindest aber das 1-Euro-Ticket, maximal 365 Euro im Jahr, Umbau der Busflotte auf ökologisch-einwandfreie Antriebsarten uswusf....Maßnahmen also, die mit den vorgeschlagenen 5 Millionen nie und nimmer umzusetzen sind. Da hilft es uns auch nicht weiter, wenn – wie in diesem Papier vorgeschlagen – ein autofreier Sonntag zur Debatte steht. Das wird unser Verkehrsproblem nicht mal im Ansatz lösen und hat bestenfalls einen esoterischen Placebo-Charakter, um vom Wesentlichen abzulenken. Denn Fakt ist unserer Meinung nach: Um tatsächlich und glaubwürdig einen sozial-ökologischen Umbau anzugehen, müssen wir über ganz andere Summen reden und diese dann auch in die Hand nehmen. Es liegt also an uns.
 
Ein Letztes noch – auch wenn einer Mehrheit hier gleich der Kamm schwellen wird und zu Schnappatmung führt – Sie hatten in jüngster Vergangenheit kaum Probleme, in das Fass ohne Boden am Seerhein mittlerweile rund 25 Millionen Euro zu stopfen und sind mehrheitlich immer noch gewillt, weitere Millionen hinterher zu schieben. Ich überlasse es gerne Ihren Rechenkünsten, in den Weihnachtsferien bei Kerzenschein besinnlich darüber nachzudenken, was wir mit diesen Geldern alles hätten anfangen können. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg.