Artenvielfalt auf dem Friedhof

Linden und Fledermäuse auf dem Hauptfriedhof

Der ehrenamtliche Sachverständige für den Schutz der Fledermäuse, Klaus Heck (links), und Christoph Stocker unter einer künstlichen Fledermaushöhle.

Die Technischen Betriebe sanieren in den kommenden drei Jahren die Lindenbäume auf dem Hauptfriedhof. Diese sind auch das Zuhause von Fledermäusen. Der Baumbestand auf dem Hauptfriedhof umfasst 870 Bäume. Rund 520 davon sind Linden. Etliche von ihnen müssen nun saniert werden. Grund hierfür sind die vielen durchgewachsenen Wasserschosse, sogenannte Reiterate, die sich auf den Bäumen entwickelt haben. Durch diese nimmt die Gefahr von Astbrüchen zu und das stellt auf Dauer ein Verkehrssicherheitsrisiko dar. Die TBK werden daher in den Jahren 2021 bis 2023 die Kronen der rund 410 älteren Linden auslichten. Die Stadt stellt dafür insgesamt 240.000 Euro bereit. Auf die Friedhofgebühren wirkt sich die Pflegemaßnahme nicht aus. Ein lohnenswertes VorhabenDie anstehende Maßnahme ist aufwendig und in der Konsequenz teuer. Christoph Stocker, Baumsachverständiger bei den TBK, erklärt: „Die Verkehrssicherung kann deutlich verbessert werden, indem die Baumpfleger die Äste in den Kronen auslichten, ohne jedoch den äußeren Mantel der Krone zu beinträchtigen und eine zu starke Reaktion auf den Rückschnitt bei den ausgewählten zukünftigen Ästen hervorzurufen.“ Dies bedeutet, dass nahezu jeder Astbereich angeklettert und im Fein- bis maximal Grobastbereich reduziert werden muss. Aufgrund des hohen Aufwandes wird die Maßnahme nach vorheriger Priorisierung auf drei Jahre aufgeteilt. Für die Pflege der 22 Winterlinden auf dem israelitischen Teil des Friedhofs stellt das Regierungspräsidium Freiburg finanzielle Mittel bereit. Der Kopfbaumschnitt ist aufwendigDer Grund für die entstandenen Reiterate liegt in der Vergangenheit. Die meisten der 407 älteren Linden wurden ursprünglich als sogenannte Kopfbäume gepflegt und entwickelt. Der Kopfbaum ist eine Gestaltungsform, bei der an den verdickten Astenden (Köpfe) regelmäßig die Neuaustriebe abgeschnitten werden. In den 80er-Jahren kam es zu einem Paradigmenwechsel, denn der mit dem Kopfbaumschnitt einhergehende Pflegeaufwand wurde als zu aufwendig angesehen. Die Bäume sollten nun eine natürliche Krone ausbilden. Daraufhin ließ man die Reiterate wachsen, was viele Konkurrenztriebe hervorbrachte, die sich gegenseitig in die Höhe geschoben haben. Dies führte zu Ästen, die – im Verhältnis zu ihrer Länge – zu dünn ausgeprägt sind. Teure DürrenDarüber hinaus fallen jährlich Pflegemaßnahmen zur Verkehrssicherung, wie die Beseitigung von Totholz oder von Astbrüchen nach Sturmereignissen, an. Die vergangenen drei trockenen Jahre haben dem insgesamt vitalen Lindenbestand auf dem Hauptfriedhof stark zugesetzt. Im vergangenen Jahr war aufgrund des Dürresommers 2018 ein achtköpfiges Team über viele Wochen damit beschäftigt, aus rund 350 Bäumen zum Teil ganze abgestorbene Kronenpartien und vereinzeltes verkehrsgefährdendes Totholz zu beseitigen. Diese Maßnahmen kosteten rund 95.000 Euro. Artenschutz auf dem HauptfriedhofSchon in der Vergangenheit wurde diskutiert, ob es sinnvoll sei, den Pflegeaufwand auf dem Hauptfriedhof durch vorzeitige Entnahme des Baumbestands und Ersatzpflanzungen zu reduzieren. Das ist aber allein schon aus Gründen des Artenschutzes keine Option. Auf dem Hauptfriedhof sind viele Fledermäuse zu Hause. Nahezu jeder Altbaum weist wertvolle Habitatstrukturen auf. Der Altbaumbestand auf dem Friedhofsareal inmitten der Stadt stellt ein wichtiges Nahrungshabitat für die Tiere dar. Daneben dienen die Baumhöhlen und Spalten in den Bäumen als Ruhestätten und Paarungsquartiere. Die Nachttiere sind vom Aussterben bedroht und werden daher streng geschützt. Eine aktuelle Begehung hat gezeigt, dass hier mindestens fünf Fledermausarten, zum Beispiel der Großer Abendsegler und die Rauhautfledermaus vorkommen. Klaus Heck, ehrenamtlicher Sachverständiger für den Schutz der Fledermäuse, sagt: „Seit den 60er-Jahren verzeichnen wir einen enormen Rückgang an Fledermäusen. So ist es richtig, dass bei allen Maßnahmen die Artenschutzmaßnahmen berücksichtigt werden.“ Er betont, dass Fledermausarten bekannt sind, die nahezu alle drei, vier Tage einen Quartierswechsel vornehmen. Dies setzt ein großes Höhlenangebot voraus. Deshalb hat er auf dem Friedhof, zusätzlich zu den natürlichen Baumhöhlen, auch 15 Fledermauskästen aufgehängt. Durch diese lässt sich auch leichter feststellen, welche Arten vorkommen. Vor größeren Maßnahmen prüfen die TBK gemeinsam mit dem Sachverständigen, ob es sich um einen Habitatbaum handelt. Die vielen Funktionen des BaumbestandesNeben den Fledermäusen leben auch andere Säugetiere auf dem Hauptfriedhof und nutzen Baumhöhlen, wie zum Beispiel die Haselmaus, Siebenschläfer und Eichhörnchen. Auch sind Linden eine beliebte Insektenweide: Bienen fliegen diese Baumart gerne an. Der alte Baumbestand auf dem Hauptfriedhof hat auch noch andere wichtige Funktionen, zum Beispiel sorgt er für die Verbesserung des lokalen Klimas in Petershausen. Der Hauptfriedhof ist parkähnlich und dient als Ruhezone für die Stadtbevölkerung.

(Erstellt am 24. November 2020 16:16 Uhr / geändert am 30. November 2020 16:43 Uhr)