Jahresempfang des Raumteiler Konstanz

Neue Anreize für faires Vermieten

Ein Frau mit kurzen Haaren steht vor einem Publikum und liest von einem Blatt Papier vor.
Ursula Leser erzählt beim Jahresempfang des Projektes „Raumteiler“ im vollen Wolkenstein-Saal von den Schicksalen, die sie und ihr Team in ihrer täglichen Arbeit mit von Wohnungsnot betroffenen Menschen erlebt haben.

Rund 200 VermieterInnen, UnterstützerInnen und KooperationspartnerInnen des Projekts „Raumteiler“ folgten Ende Januar der Einladung des Raumteiler-Teams in den Wolkensteinsaal im Kulturzentrum am Münster. Mit dem Abend voller Musik und Kultur, spannenden Begegnungen und internationalen Leckereien wollten sich das Team und Bürgermeister Dr. Andreas Osner bedanken: Bei allen VermieterInnen, die bereits fair und langfristig vermieten oder kurzfristig in der Ukrainekrise vermietet haben und bei allen Kooperationspartnern, die geholfen haben, dass Raumteiler in nur zwei Jahren zum Erfolgsprojekt wurde.
 
Wie wichtig ein Zuhause für ein soziales Miteinander ist, wurde in einer Gesprächsrunde zwischen Bettina Parschat (zuständig für die Notunterbringung im Bürgeramt), Till Hastreiter (Gründer der 83), Mohammad Al Hassan (2015 in integrativen Wohnraum vermittelt) und Alfred Kaufmann (Leiter des Sozial- und Jugendamtes) deutlich. Mohammad Al Hassans Werdegang vom Geflüchteten zum Steuerzahler mit deutschem Pass innerhalb von sechs Jahren, ist ein eindrückliches Beispiel, wie eine Stadtgesellschaft von integrativem Wohnen profitieren kann. Auch VermieterInnen kamen zu Wort, die bereits seit Jahren über die Wohnrauminitiative der Stadt oder den Verein „83 Konstanz integriert“ vermieten. Sie berichteten authentisch und lebensnah von der bereichernden Erfahrung mit den MieterInnen und der guten Betreuung durch Raumteiler.
 
Der ergreifende Auftritt des Tanztheaters „Colourful Minds“ machte mit vollem Körpereinsatz erfahrbar, wie unerlässlich Begegnung, Teilhabe und gegenseitiges Verständnis für jede und jeden sind und auch, wie wichtig es ist, dass Menschen die Möglichkeit bekommen, mitten in der Gesellschaft statt in Unterkünften am Rand zu leben und zu wohnen.
 
Das zeigte auch der Beitrag von Ursula Leser, Projektverantwortliche für Raumteiler im Sozial- und Jugendamt, mit einem Einblick in die Erlebnisse im Rahmen ihrer Arbeit: Da ist zum Beispiel die 83-jährige Dame, die aus der Notunterkunft in eine Raumteiler-Wohnung vermittelt wurde, weil sie mit der Bezahlung ihrer Rechnungen überfordert war. Oder der Sammler. Er sammelt Flaschen, kleine Möbel, Bücher, Kleinkram. Er ist gerne nachts wach und räumt seine Sachen umher. Wegen diesem Lärm und seiner Sammlung musste er ausziehen. Und die alleinerziehende junge Mutter mit drei Kindern, die sich von ihrem Mann getrennt hat und nun eine bezahlbare Bleibe sucht. Wohin soll sie? Soll sie doch wieder zurück zu ihrem Mann, wenn sie keine Wohnung findet? Oder der sympathische Mann aus Afghanistan, der im Café Mondial so engagiert ist, deutsch spricht und schichtarbeitet. Doch wenn er eine Wohnungsanzeige schaltet, meldet sich niemand und sonst bekommt er nur Absagen. Er wohnt mit seiner Frau in einer kleinen 1-Zimmer-Wohnung. Das Schlafen und Wohnen in einem Zimmer bei seinen Schichtdiensten ist anstrengend und kostet beide viel Kraft.
 
Als der Krieg in der Ukraine begann, wurde „Raumteiler Plus“ ins Leben gerufen. Hier war das Ziel, möglichst kurzfristig Wohnraum für die Geflüchteten aus der Ukraine zu finden. Die Nachfrage war enorm hoch, aber auch die Zahl der Wohnungsangebote war beeindruckend. Da war die Wohnung im Musikerviertel, zu der man 100 Stufen hoch laufen musste, oder die nette Einliegerwohnung in Allmannsdorf, wo aber klar war, geraucht werden darf nicht. Die kleine Ferienwohnung im Paradies, mit den Eigentümern in der Nähe von Stuttgart. Oder das nette ältere Paar im großen Haus, wo die Eigentümerin unter Tränen erzählt, sie habe selbst den Krieg als Kind miterlebt. Die Wohnung im Haus bisher zu vermieten, sei ihr viel zu anstrengend gewesen. Aber jetzt? Jetzt muss man doch was tun!
 
Am Ende des Abends nahmen alle eine Erkenntnis mit nach Hause: Man muss was tun, denn der Bedarf an integrativem Wohnraum ist immer noch groß.
 
Mehr Informationen zum Raumteiler und warum sich soziales Wohnen und faires Vermieten auch für EigentümerInnen lohnt, gibt es unter www.konstanz.de/raumteiler.

(Erstellt am 03. Februar 2023 09:50 Uhr / geändert am 03. Februar 2023 09:53 Uhr)