Eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ist ein im Baugesetzbuch geregeltes Instrument der Stadtentwicklung. Mit Hilfe dieses Instrumentariums sollen große Stadtentwicklungsprojekte für die Kommunen erleichtert werden. Es unterscheidet sich hinsichtlich der Abwicklung von klassischen Verfahren der Baulandentwicklung (bspw. einem Umlegungsverfahren).
Bevor eine Kommune tatsächlich eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme beschließt, müssen vorbereitende Untersuchungen durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird geprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ob dauerhafte größere Hindernisse einer städtebaulichen Entwicklung des Gebiets entgegenstehen bzw. ob diese ausgeräumt werden können.
Untersucht werden beispielsweise
derzeitige Flächennutzungen und Besitzverhältnisse der Grundstücke
Ökologie und Klima
Natur- und Landschaftsschutz sowie Artenschutz
Mobilität, Verkehr und Erschließungsmöglichkeiten
Lärmsituation und Schallminderungsmöglichkeiten
zeitliche und finanzielle Durchführbarkeit
In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu erörtern, ob die Ziele und Zwecke der Maßnahme mit alternativen Instrumenten des Baugesetzbuchs erreicht werden können und ob andere Gebiete für die Entwicklung gleichermaßen geeignet wären (sog. Standortalternativenprüfung).
Besondere Bedeutung kommt während einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme auch der Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen zu. Die Kommune entwickelt – wenn möglich – die Flächen gemeinsam in Abstimmung mit den Betroffenen. Es erfolgt möglichst frühzeitig schon im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen eine Erörterung mit Eigentümern, Mietern, Pächtern und sonstigen Betroffenen sowie eine Beratung über Mitwirkungsmöglichkeiten.
Die Ergebnisse der vorbereitenden Untersuchungen werden in einem Bericht zusammengefasst und gegeneinander und untereinander abgewogen. Kommt man zu dem Schluss, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden und der Umsetzung der Maßnahme keine Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Gemeinderat die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme als Satzung beschließen und damit den Weg für die weitere Umsetzung ebnen.
Das Entwicklungsgebiet
Das Gebiet der vorbereitenden Untersuchungen wurde bewusst weit gefasst (ca. 121 ha), um auch die Randbereiche des neuen Stadtteils in den Blick der Analysen nehmen zu können. Das spätere Entwicklungsgebiet ist etwas kleiner gefasst (ca. 107 ha): Es umfasst neben den Siedlungsflächen (Flächen für Gebäude, Freiflächen im Stadtraum, Sportflächen etc.) auch Flächen zur Energieproduktion (Photovoltaik, Erdwärme), für Freizeitnutzungen (bspw. Reiterhof) sowie für ökologische Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.
Planerische Themen und Analysen
Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen zum Gebiet „Nördlich Hafner“ wurden verschiedene Analysen zu allen relevanten planerischen Themen durchgeführt. Dazu gehörten insbesondere folgende Themen:
Umwelt und Freiraumqualität
Die städtebauliche Entwicklung im geplanten Ausmaß bedeutet eine Inanspruchnahme von Flächen in der Landschaft. Um diese möglichst bewusst und umweltverträglich gestalten zu können, wurden im Vorfeld der Rahmenplanerarbeitung der Bestand streng geschützter Arten im Plangebiet erfasst, gutachterlich bewertet und geeignete Maßnahmen bzw. Empfehlungen aufgezeigt. Das faunistische Gutachten wurde in den Planungsprozess eingespeist und die darin genannten Empfehlungen wurden bei der Erarbeitung des Rahmenplans berücksichtigt bzw. mit den verschiedenen Anforderungen abgewogen.
Die Auswirkungen der geplanten städtebaulichen Entwicklung auf die einzelnen Schutzgüter – wie Boden, Fläche, Klima, Wasser, Luft, Pflanzen und Tiere und auf das Landschaftsbild – sowie mögliche Maßnahmen zur Vermeidung, Minimierung bzw. zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft wurden durch ein Fachbüro erarbeitet und in einem Plan zusammenfassend dargestellt.
Im Vordergrund der Maßnahmen steht die ökologische Aufwertung der verbleibenden Kulturlandschaft wie Ackerflächen, Obstwiesen und Freizeitgärten. Bei der Ausgestaltung dieser ökologischen Aufwertung wird auch die Bedeutung des Landschaftsraums in der Nachbarschaft zum neuen Stadtteil als künftiger Naherholungsraum mitgedacht. Hierbei spielen der Erhalt bestehender Biotope und Heckenstrukturen sowie deren Ergänzung durch Neupflanzungen, die Umwandlung von Ackerfluren in Fett- und/oder Streuobstwiesen sowie die ökologische Ausgestaltung stadtnaher Grünflächen eine bedeutende Rolle.
Für betroffene Tierarten sollen neue adäquate Lebensräume geschaffen werden. Auch hierfür wurden im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen potentielle und geeignete Flächen analysiert und identifiziert.
Stadtklima
Als wesentliche Vorgabe aus lokalklimatischer Sicht galt für die Konzeption des neuen Stadtteils die Freihaltung bzw. Planung zweier Klimaschneisen, um den Kaltluftabfluss zu sichern und die Durchlüftung der angrenzenden Siedlungsgebiete auch künftig zu gewährleisten. Im Rahmenplan wurden die Vorgaben aufgegriffen und durch einen Gutachter in ihrer Wirkung geprüft. Im Rahmen des Gutachtens wurde nachgewiesen, dass die vorgesehenen Grünzüge innerhalb des neuen Siedlungsgebietes ihre Funktion als Kaltluftschneise erfüllen, wodurch sowohl das geplante Gebiet als auch die anschließende bestehende Bebauung Wollmatingens zukünftig gut durchlüftet werden. Für die weitere Planung wird eine geeignete Durchgrünung des Freiraums sowie der geplanten Dachlandschaften und Gebäude empfohlen.
Verkehr
Der Rahmenplan beinhaltet ein Mobilitätskonzept, welches Auswirkungen auf das zu erwartende Verkehrsaufkommen hat.
Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen wurden Verkehrszählungen und -befragungen durchgeführt, Verkehrsmengen berechnet und in einem Modell auf das umliegende Verkehrsnetz umgelegt sowie die Leistungsfähigkeit bestehender und neuer Verkehrsknotenpunkte (Kreuzungen, Kreisverkehre etc.) berechnet. Durch die Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass der geplante Stadtteil leistungsfähig an die Landesstraße (L221) angeschlossen werden kann. Vorgesehen sind drei Anschlusspunkte an die Landesstraße. Eine geeignete Ampelschaltung kann dabei einen reibungslosen Verkehrsfluss ermöglichen und die Verkehrssicherheit erhöhen.
Auch die bestehenden Kreisverkehre und sonstigen Kreuzungsbereiche im weiteren Verlauf des Straßennetzes in Richtung Litzelstetten bzw. Innenstadt und B33 werden weiterhin funktionieren.
In Wollmatingen wird sich, neben der Entwicklung des Hafners, vorwiegend die vorgesehene Änderung der Verkehrsführung in Richtung B33 (Sperrung der Verbindungsstraße Westtangente – B33 bei Reichenau-Waldsiedlung) auf den Straßenverkehr auswirken. Insgesamt ist auch mit der Entwicklung des neuen Stadtteils im Bereich der Radolfzeller Straße bis Ortszentrum Wollmatingen von einer Verkehrsreduktion von über 5.000 Fahrten am Tag auszugehen.
Lärm
Exakte Lärmauswirkungen auf das bestehende Umfeld, die durch die geplanten Nutzungen (Wohnen, Gewerbe, etc.) erzeugt werden, können auf Basis des aktuellen, noch groben Planungsstands bislang nicht konkret berechnet, sondern nur grob abgeschätzt werden. Daher werden weitere, vertiefte Untersuchungen im weiteren Prozess, insbesondere im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens, durchgeführt.
Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen standen Prüfungen zur Wirkung bestehender Lärmquellen auf das Plangebiet im Vordergrund der Untersuchungen. Darüber hinaus wurde der zu erwartende Neuverkehr, der durch die geplante Bebauung zu erwarten ist, auch für die umliegenden Bereiche betrachtet.
Neben dem Verkehrslärm hat aktuell der bestehende Gewerbe- und Freizeitlärm Auswirkungen auf das zukünftige Siedlungsgebiet. Hierzu gehören der Schießstand der Bundespolizei und des Schützenvereins, das Gelände des Modellfliegerclubs (FSMC Konstanz) sowie die Strecken des Motorsportclubs MSC.
Im Ergebnis wird es für die Entwicklung des Hafners voraussichtlich erforderlich werden, einzelne Nutzungen zu verlagern (bspw. Jugendstrecke MSC) oder lärmmindernde Maßnahmen durchzuführen (bspw. Schießstand). Der zu erwartende Verkehrslärm, ausgehend von der L221, wird ebenso eine Rolle bei der Fortentwicklung des Rahmenplans spielen.
Beteiligung
Um die Ziele der Entwicklungsmaßnahme erreichen zu können, ist eine rechtliche und tatsächliche Bodenneuordnung erforderlich. Voraussetzung dafür ist, dass die Stadt entweder selbst in das Eigentum der Grundstücke kommt, oder die bisherigen EigentümerInnen umfassend bereit sind, an der Realisierung der Ziele mitzuwirken.
GrundstückseigentümerInnen im VU-Gebiet
Zu Beginn der vorbereitenden Untersuchungen mit einer Gesamtfläche von ca.121,4 ha – verteilt auf insgesamt 361 EigentümerInnen – befanden sich ungefähr 77,7 ha in privatem Eigentum und etwa 43,7 ha im Eigentum der Stadt Konstanz.
Angesichts dieser großen Anzahl an betroffenen GrundstückseigentümerInnen im VU-Gebiet und den damit zu erwartenden, sehr vielschichtigen Einzelinteressen wurde ein mehrstufiger Beteiligungs- und Kommunikationsprozess entwickelt und im Zeitraum zwischen 2017 und 2021 durchgeführt. Dieser Beteiligungsprozess setzte sich zusammen aus mehreren Eigentümerveranstaltungen, einer schriftlichen Erstbefragung, persönlichen Eigentümereinzelgesprächen in mehreren Runden sowie begleitenden Informationsschreiben.
Ergebnisse der Eigentümerbeteiligung für das geplante SEM-Gebiet bis April 2021
Das voraussichtliche Entwicklungsgebiet, bestehend aus Flächen im Bereich „Nördlich Hafner“ und Herrengarten, umfasst insgesamt rund 105,6 ha. Nach Abschluss der Eigentümerbeteiligungen zum Auswertungsstand 15.04.2021 ließ sich feststellen, dass die Stadt Konstanz bis dahin insgesamt 65 Flurstücke mit einer Gesamtfläche von 123.472 m² im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen erwerben konnte. Zum Stand 15. April 2021 befanden sich rund 51,2 ha des geplanten SEM-Gebiets im Eigentum der Stadt Konstanz, das entspricht rund 49 % der Fläche des geplanten Entwicklungsgebiets. Zudem ist ein großer Teil der privaten EigentümerInnen an einer Beteiligung an der Entwicklung (bspw. durch eine eigene Bebauung der Grundstücke) interessiert.
FlächennutzerInnen
Ein überwiegender Teil der Flächen im VU-Gebiet „Nördlich Hafner“ wird landwirtschaftlich genutzt. Spezifikum des Gebietes ist – und damit anders als in vielen anderen Gebieten –, dass die landwirtschaftlichen Betriebe zumeist nicht EigentümerInnen, sondern PächterInnen dieser Flächen sind. Die betroffenen Betriebe wurden im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen analysiert und insbesondere auch mögliche wirtschaftliche Auswirkungen für diese Betriebe durch die Entwicklung des Gebietes unter die Lupe genommen. Diese Untersuchungen betrafen neben den landwirtschaftlichen Betrieben auch Gartenbaubetriebe im Gebiet, eine Gärtnerei und einen Reiterhof. Für Betriebe, die in relevanter Art und Weise wirtschaftlich von der Entwicklung des neuen Stadtteils betroffen wären, wurden verschiedene Optionen des Ausgleichs (bspw. Flächentausch, Ersatzstandorte) erarbeitet und im direkten Austausch diskutiert. Im weiteren Verfahren werden diese Konzepte weiter konkretisiert und umgesetzt.
Öffentlichkeit
Darüber hinaus wurde im Rahmen des wettbewerblichen Planungsdialogs und den anschließenden weiteren Planungen Interessierten die Möglichkeit zur intensiven Mitwirkung gegeben. Im Zentrum der Veranstaltungen stand der Austausch zwischen den BürgerInnen und PlanerInnen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit am laufenden Prozess wurde kontinuierlich durchgeführt, die Ergebnisse parallel in das Verfahren eingespeist. Somit wurde der städtebauliche Rahmenplan in einem co-kreativen Prozess erarbeitet und hat durch den Beteiligungsprozess stetig an Qualität gewonnen. Beteiligung im bisherigen Planungsprozess
Träger öffentlicher Belange
Träger öffentlicher Belange sind Behörden und Stellen, die Aufgaben und Planungen im öffentlichen Interesse vertreten oder wahrnehmen. Sie werden im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen beteiligt, da ihr Aufgabenbereich durch die vorgesehene Planung möglicherweise berührt sein könnte. Durch die frühzeitige Beteiligung der Träger öffentlicher Belange soll sichergestellt werden, dass ihre Interessen bzw. Belange ausreichend berücksichtigt und beachtet werden und hierdurch Gemeinwohlinteressen im Planungsverfahren Beachtung finden. Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „Nördlich Hafner“ wurden die betroffenen Träger öffentlicher Belange im Zeitraum von 2017 bis 2021 mehrfach am Verfahren beteiligt. Dies geschah durch das Einholen schriftlicher Stellungnahmen und Beteiligung auf Basis des durch den Gemeinderat im Dezember 2019 beschlossenen Rahmenplans. Darüber hinaus gab es anlassbezogenen Austausch und Abstimmungen mit betroffenen Fachbehörden. Die im Rahmen dieser Beteiligungen eingegangenen Stellungnahmen wurden in den vorbereitenden Untersuchungen aufgearbeitet, abgewogen und entsprechend in die Planungen und den Prozess eingespeist.