Klimanotstand

Als öffentlichkeitswirksames Signal, parallel zu Städten wie Basel, Los Angeles, Vancouver oder London, hat die Stadt Konstanz am 2. Mai 2019 den Klimanotstand ausgerufen.

Fridays for future im Rathaushof Konstanz

Der Ratsbeschluss ging mit dem Auftrag einher, folgende Maßnahmen zur Beschleunigung der Klimaschutzziele zu prüfen und dem Rat erneut zur Beschlussfassung vorzulegen:

 Klimaneutrale Energieversorgung von Neubauten
 Mobilitätsmanagement für die Gesamtstadt
 Energiemanagement für städtische Gebäude
 Maßnahmen zur Erhöhung der Sanierungsrate im Stadtgebiet
 Zielkatalog Stadtwerke Konstanz
 Ziele im European Energy Award
 
Hintergrund: Seit Februar 2019 demonstriert auch in Konstanz die Fridays-for-Future-Bewegung (FFF) für eine deutliche Intensivierung der Klimaschutzanstrengungen. Am 27. Februar 2019 waren VertreterInnen der Bewegung bei einem Gespräch bei OB Uli Burchardt, der daraufhin die Verwaltung beauftragte, eine Beschlussvorlage zur Ausrufung des Klimanotstands zu erarbeiten. Auch fünf Ratsfraktionen hatten einen Antrag zur Ausrufung des Klimanotstands gestellt.

Klimanotstand – was bedeutet das?

++ Alle Kräfte aus Politik und Bevölkerung bündeln, um gemeinsam sofortige und entschlossene Anstrengungen zum Klimaschutz zu leisten. ++

Was steckt hinter dem Begriff „Klimanotstand“?

Mit der Verwendung des Begriffes wird anerkannt, dass auf der Erde eine akute und gegenwärtige Gefahr für das Klima und durch den Klimawandel und seine Folgen auch für das Leben der Menschen besteht. Der Klimanotstand beinhaltet die Aufforderung, diese Gefahren durch schnelles Handeln abzumildern oder zu beseitigen.

Warum wurde der Klimanotstand ausgerufen?

Die Resolution bezieht sich nicht rein auf das Konstanzer Klima, sondern auf das Klima weltweit. Die Verabschiedung der Resolution ist ein Signal und ein Impuls. Ein Signal auch und gerade an die jungen Menschen in Konstanz, dass dieses Thema, das die Jugend sehr bewegt, hier angekommen ist. Seitens der Politik und der Verwaltung ist dieser Beschluss zudem ein Signal der Bereitschaft, das Tempo im Klimaschutz zu beschleunigen. Klimaschutz ist ein Thema, das aber nicht nur Politik und Verwaltung angeht, sondern zu dem alle beitragen müssen.

Seit vielen Jahren finden in Konstanz Klimaschutzmaßnahmen statt. Die Stadt gibt zur Zeit jährlich rund acht Millionen Euro für Maßnahmen im Klimaschutz aus, zum Beispiel für die Sanierung von städtischen Gebäuden. In Anbetracht der Aufgabenvielfalt der Stadt wurde dem Thema Klimaschutz in den vergangenen Jahren nicht immer höchste Priorität eingeräumt. Hier ist durch den Beschluss eine Neubewertung erfolgt.

Wie geht es weiter?

Die Resolution ist ein Fundament, auf dem weitere Beschlüsse folgen werden. Ein erster Beschluss ist, dass Konstanz ab Juni jede Entscheidung, die im Gemeinderat getroffen wird, auf ihre Klimarelevanz prüft. Dafür werden die Sitzungsvorlagen für den Gemeinderat um eine Einschätzung zur Klimarelevanz der behandelten Themen ergänzt. Die Verwaltung stellt aktuell zur Bewältigung der kommenden Aufgaben eine Task Force zusammen, um schnell und gezielt voranzukommen.

Wie ist die Rolle von Fridays for Future?

Die Konstanzer „Fridays für Future“-Aktivisten werden auch in Zukunft eingebunden; beispielsweise beim European Energy Award oder bei der Erarbeitung von Projekten, die geeignet sind, den Klimaschutz voranzubringen.

Wird alles hinter diesem Ziel zurückgestellt?

Sicherlich wird es Zielkonflikte zwischen mehreren wichtigen Zielen und Maßnahmen geben. Diese müssen dann klar benannt werden. Es wird auch zu Situationen kommen, in welchen auf kommunaler Ebene klimaschutzkonforme Lösungen noch nicht zu 100 % umgesetzt werden können, weil es die Gesamtrahmenbedingungen auf Bundesebene (noch) nicht hergeben – beispielsweise bei der Schaffung bezahlbaren und auch klimaschutzkonformen Wohnraums. Nicht zuletzt geht es um die Verteilung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel.

Über den Tellerrand hinaus

Die Konstanzer Resolution ist auch an andere adressiert. Insbesondere macht sie Land und Bund darauf aufmerksam, dass ein vollständiges Einhalten der Klimaschutzziele auf kommunaler Ebene unter den derzeitigen Rahmenbedingungen noch nicht möglich ist. Erst ein vollständiger Abbau weiterhin bestehender Subventionen für fossile Energieträger, eine sozial gerecht ausgestaltete CO2-Bepreisung, eine grundlegend veränderte Verkehrspolitik und eine klimaschutzkonforme Förderung des sozialen Wohnungsbaus würden hier das dringend benötigte Fundament legen.

Was noch zu sagen bleibt

Durch seine Lage am Bodensee hat sich in Konstanz bereits früh eine besondere Sensibilität für den Umwelt- und Naturschutz entwickelt. So gehören zum Beispiel das Wollmatinger Ried und die Mooswiese zu den ältesten Naturschutzgebieten in Baden-Württemberg. Und zusammen mit vielen anderen Städten und Gemeinden am See hat die Stadt seit den 1960er-Jahren Millionen in den Gewässerschutz investiert. Heute nimmt der größte Trinkwasserspeicher Europas als „Modellregion Bodensee“ weltweit eine Vorbildfunktion ein.

Die Resolution zum Klimanotstand wird Fragen aufwerfen, wie Projekte und Maßnahmen künftig einzuordnen und zu bewerten sind. In der Öffentlichkeit wurde als Beispiel bereits das Seenachtfest mit seinem Feuerwerk genannt. Es wird auch diesen August wieder stattfinden. Hier gibt es bestehende Verträge, an die sich die Stadt halten muss. Bei einer Neuausschreibung der Veranstaltung werden aber die Ziele des Klimaschutzes zu diskutieren sein. Bei der Schifffahrt auf dem See wird seit Jahren an Verbesserungen in Sachen Umweltverträglichkeit gearbeitet. So werden beispielsweise die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) seit vielen Jahren durch das weltweit anspruchsvollste Umweltschutzsystem EMAS freiwillig geprüft und zertifiziert. Durch den politischen Beschluss zum Klimanotstand sollen Umweltschutzmaßnahmen intensiviert werden, damit auch lokal die Kultur- und Naturlandschaft des Bodensees erhalten werden kann.