Städtebauliche Erfolgsgeschichte

Die Sanierung des Quartiers Bahnhof Petershausen im Rückblick

Stadtplan mit eingezeichneter Lage des Sanierungsgebietes

Zentral, gut angebunden und attraktiv – das Quartier Bahnhof Petershausen glänzt als ein gelungenes städtebauliches Projekt, das dringend benötigten Wohnraum und wichtige Infrastruktur geschaffen hat. Rund 1.850 Personen unterschiedlichster Nutzungsgruppen leben heute in ca. 700 zentrumsnahen, innerstädtischen Wohnungen. Begrünte Innenhöfe und öffentliche Plätze, ein großzügiger Radweg entlang der alten Bahngleise sowie tausende Quadratmeter neue Schul- und Sportflächen mit vielen Freizeitmöglichkeiten haben u.a. das Quartier deutlich aufgewertet.

Startschuss 2004

Der Grundstein für diese Entwicklung wurde vor rund 20 Jahren gelegt. Zu dieser Zeit prägten ungeordnete, vor allem gewerbliche Nutzungen und Brachflächen das Areal, auf dem gerade einmal rund 90 Menschen wohnten. 2004 eröffneten die Einrichtung eines Haltepunkts und die gleichzeitige Aufgabe des Güterbahnhofs und dreier Gleise durch die Deutsche Bahn neue planerische Möglichkeiten. Die Kooperation und städtebaulichen Verträge der Stadt mit der Deutschen Bahn AG bzw. deren Tochter aurelis Real Estate GmbH & Co. KG erlaubten, das Gebiet unter Einbeziehung der nördlich und südlich der Bahnstrecke angrenzenden Bereiche einer Neuordnung zu unterziehen und dabei als Wohnstandort weiterzuentwickeln.

2004 gab es auch eine Anpassung des Baugesetzbuches. Die neuen Regelungen beinhalteten u.a. finanzielle Zuwendungen des Bundes für die städtebauliche Entwicklung von innerstädtischen Brachflächen. Dem städtischen Antrag auf Aufnahme des „Quartier Bahnhof Petershausen“ in das neue Bund-Länder-Programm „Stadtumbau West“ wurde am 10.12.2004 stattgegeben.

Der Gemeinderat fasste am 24.02.2005 den Beschluss zur Durchführung der Vorbereitenden Untersuchungen. Im gleichen Jahr wurde ein städtebaulicher Ideen- und Realisierungswettbewerb ausgelobt, auf dessen Basis ein Rahmenplan und ein erstes Neuordnungskonzept unter RückblickBürgerbeteiligung erarbeitet wurden. Die Festlegung des Sanierungsgebietes, d.h. der Satzungsbeschluss, erfolgte am 27.07.2006. Das ca. 12,5 Hektar große Sanierungsgebiet erstreckte sich von der Steinstraße im Norden bis zur Bruder-Klaus-Straße/Von-Emmich-Straße im Süden und wurde in Ost-West-Richtung von der Schneckenburgstraße und der Petershauser Straße begrenzt. Es wurde noch 2006 erweitert, um den Radweg südlich der Bahn von der Petershauser Straße durchgängig über die Schneckenburgstraße bis zum Haltepunkt Fürstenberg weiter ausführen zu können. Die modulare Anlage des Rahmenplans ermöglichte eine unabhängige und flexible Realisierung der Einzelprojekte.

Urbanes Quartier

Ziele der Sanierung waren u.a. die trennende Wirkung der Bahngleise durch Fuß- und Radwegverbindungen zu mindern, einen barrierefreien Zugang zu den Bahnsteigen zu ermöglichen und gleichzeitig der zen-tralen Funktion des Bahnhaltepunktes gestalterisch gerecht zu werden. Ein zweiter Schwerpunkt lag auf der Schaffung zentrumsnahen, nachhaltigen und barrierefreien Wohnraums für unterschiedliche Nutzergruppen in Form von u.a. mietpreisgebundenem Wohnungsbau, Senioren- und Studentenwohnungen. Grundlage dafür war der Kauf verschiedener Grundstücke durch die Stadt von privater Seite sowie von Bahn und Bund. Private Investoren, aber auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft (WOBAK) wurden im Rahmen städtebaulicher Verträge verpflichtet, ihre Grundstücke bzw. die im Laufe der Sanierungsmaßnahme erworbenen Grundstücke gemäß den Sanierungszielen zu entwickeln.

Schulentwicklung an der Pestalozzistraße

2011 entschied sich der Gemeinderat, eine Gemeinschaftsschule am Standort Pestalozzistraße zu etablieren. Das Grundstück östlich der Pestalozzistraße befand sich nur teilweise im Eigentum der Stadt. Mit Hilfe der Städtebauförderung konnte die notwendige restliche Fläche mit erheblichen Zuschüssen erworben werden. Um dort eine neue Nutzung unterbringen zu können, mussten der Boule-Club verlagert und die vorhandenen Gebäude abgerissen werden. Heute befindet sich dort die Gemeinschaftsschule Gebhard mit Schulhof, einer Drei-Feld-Halle und öffentlichen Aufenthaltsräumen. Durch die rechtlichen Instrumente des besonderen Städtebaurechts konnte auch die Schaffung von Erweiterungsflächen für das neue Berufsschulzen-trum erreicht werden. Es soll bis 2028 in mehreren Bauabschnitten fertiggestellt werden.

Bahnhof und Z-Brücke

Da die Bahnlinie das Quartier in einen Nord- und einen Südteil trennte, war ein großes Ziel, die Stadtteile besser zu verbinden. Wegen der neuen Gemeinschaftsschule auf der Nordseite der Bahnlinie war die Anbindung und sichere Querung von Süden äußerst wichtig. Am 24.07.2014 fasste der Gemeinderat den Projektbeschluss für die Fuß- und Radwegbrücke. Aufgrund der Verzögerungen des Bahnhofmodernisierungsprogramms am Haltepunkt Petershausen konnte die „Z-Brücke“ erst 2018 eröffnet werden. Sie verbindet die 2020 fertiggestellten Außenbahnsteige, über die barrierefrei aus- und eingestiegen werden kann. Die Brücke wurde mit zwei Fahrradrampen, zwei Aufzügen und zwei Treppentürmen versehen.

Zum Bau des Fuß- und Radwegs entlang der Bahnstrecke wurden die Flächen der ehemaligen Gleise 3 bis 5 von der Deutschen Bahn erworben.

Dringend benötigter Wohnraum

Das Quartier Bahnhof Petershausen bietet nicht nur zentrumsnahen Wohnraum für unterschiedliche Nutzergruppen, sondern auch Raum für Gewerbe, Gastronomie, Dienstleistungen, Büros sowie multifunktionale öffentliche Treffpunkte.

Mit dem Quartiersplatz, der Spiel- und Freizeitfläche und dem Brückenplatz Nord wurden auf der nördlichen Seite der Bahn großzügige Aufenthaltsflächen für Jung und Alt geschaffen. Auf der südlichen Seite wurden der Alemannenplatz und der Brückenplatz Süd mit seinen Wassertischen erstellt. In der Ausführungsplanung befindet sich eine neue Wohnbebauung auf dem Gelände der früheren chemischen Fabrik Ravensberg mit Miet-Wohneinheiten plus einer Kindertagesstätte und einer Pflege-WG.

Ein Beispiel für die hohe Qualität der neuen Gebäude ist der von der WOBAK erstellte Komplex von 109 Wohnungen in der Mitte des Quartiers. 2016 gab es dafür den Bauherrenpreis.

Bundes- und Landesfinanzierung

Die Gesamtinvestition der Sanierung des Quartiers Bahnhof Petershausen beläuft sich auf rund 341.700.000 €. Auf den Wohnungsbau entfallen 181.500.000 €. Die Projekte der Stadt belaufen sich auf 56.200.000 € (z.B. Schule, Brücke, Straßen, Plätze, Grunderwerb). Das Berufsschulzentrum schlägt mit 104.000.000 € zu Buche. Demgegenüber stehen Einnahmen aus Grundstückserlösen und Ausgleichsbeträgen i.H.v. 3.140.669 € sowie Zuschüsse i.H.v. 3.462.787 € aus der Städtebauförderung (Landes- u. Bundesmittel). Die gewährten Finanzhilfen von Bund und Land erleichterten den Kauf von Grundstücken der Bahn, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) und vieler privater EigentümerInnen, ohne die die Entwicklung des Gebietes nicht möglich gewesen wäre. Alle im Maßnahmenkatalog aufgeführten Maßnahmen konnten im Bewilligungszeitraum bis April 2021 umgesetzt werden. Lediglich die Umgestaltung/der Umbau der Pestalozzistraße konnte nicht realisiert werden, da diese als Baustellenzufahrt für das neue Berufsschulzentrum dienen wird.

In „normalen“ Sanierungsgebieten wird davon ausgegangen, dass 1 € Zuschuss aus der Städtebauförderung eine Investition von rund 8 € auslösen wird. Im Stadtumbauprogramm, in dem die Brachflächen höhere Werte erfahren können, wird davon ausgegangen, dass der Wert der Städtebauförderung 20-fach ist. Im Gebiet Bahnhof Petershausen wird ohne die Summe des Berufsschulzentrums ein Verhältnis von 1:68 und mit dieser von 1:98 erreicht. Diese Quote der Stadt Konstanz stellt eine deutschlandweit bemerkenswerte Marke dar.

Konstanzer Vorbild

Die Bundestransferstelle hat die Stadt Konstanz im Oktober 2021 zur Transferwerkstatt „Neue Stadtquartiere“ eingeladen, um diese erfolgreich umgesetzte Sanierungsmaßnahme VertreterInnen verschiedener Bundesländer und des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie des Landesministeriums Baden-Württemberg für Landesentwicklung und Wohnen vorzustellen.

(Erstellt am 23. März 2023 10:29 Uhr / geändert am 06. April 2023 11:38 Uhr)