Konstanzer Stadtgesellschaft – selbstverständlich vielfältig!

Der Gemeinderat hat das Konzept „Konstanz Internationale Stadt“ beschlossen

In Konstanz leben fast 86.000 Menschen aus 160 Ländern. Über 30 Prozent der KonstanzerInnen haben eine internationale Biografie. Neben den erheblichen demografischen Veränderungen hat auch ein Wandel in den Erwartungen an die Stadtverwaltung in Bezug auf Bildung, politische Partizipation, Teilhabe, Chancengleichheit und Zusammenhalt stattgefunden. Diesen Entwicklungen trägt das Konzept „Konstanz Internationale Stadt“ Rechnung, welches der Gemeinderat nach einstimmiger Empfehlung des Internationalen Forums am 29. September 2022 beschlossen hat. Es soll den sozialen Zusammenhalt stärken, die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ermöglichen und die Lebensqualität und Identifikation mit der Stadt stärken. „Diversität“, „Interkulturalität“, „Zusammenhalt“ und „Anti-Rassismus“ sind die Fundamente, die Konstanz auch in Zukunft zu einer weltoffenen und internationalen Stadt machen sollen. „Wir wollen als Stadtverwaltung beispielgebend sein und Internationalität, Offenheit und Diversität vorleben. Und daher müssen wir die Verwaltung und schließlich auch uns selbst stetig weiterentwickeln“, erklärt Andreas Osner, Bürgermeister für Soziales, Bildung und Kultur.

Entwicklung des Konzepts

2018 hatte der Gemeinderat die Entwicklung eines Integrationskonzepts für die Stadt Konstanz in Auftrag gegeben. Das nicht mehr zeitgemäße „Rahmenkonzept für die Integrationsarbeit in der Stadt Konstanz“ von 2009 sollte dadurch ersetzt werden. Die Umsetzung des Projekts im Dezernat für Soziales, Bildung, Sport, Gesundheit und Kultur begann im Juli 2019 mit dem Dienstbeginn des Integrationsbeauftragten mit Schwerpunkt Geflüchtete, Dr. David Tchakoura, dem die Projektleitung übertragen wurde. Die Leitfrage war: Wie soll Konstanz mit seiner kulturellen Vielfalt umgehen, damit das gesellschaftliche Miteinander gut funktioniert und jede/r BürgerIn sich ungeachtet ihrer/seiner Herkunft und ihrer/seiner Migrationsgeschichte in der Stadt wohlfühlt?

In einem breit angelegten partizipativen Prozess mit Vereinen, Initiativen, Institutionen, BürgerInnen und den beiden Hochschulen wurde als zielführender Ansatz Internationalität statt Integration gewählt. Internationalität lege den Fokus darauf, kulturelle Diversität als Selbstverständlichkeit, Ressource und Chance wahrzunehmen, während Integration eine gesellschaftliche Einheit voraussetze, in die sich das vermeintlich Fremde einfügen soll. „International zu sein, heißt für mich dabei weit mehr, als dass wir ‚Eingesessenen‘ die ‚Neuen‘ bei uns ‚integrieren‘ wollen – auf dass sie alle gute KonstanzerInnen werden. Das ist für mich ein völlig überholtes Einbahnstraßenverständnis von Integration. Vielmehr geht es darum, wie wir in einer de facto international geprägten Stadt zusammenleben und die Zukunft mit allen gemeinsam gestalten wollen. Wir müssen eine Willkommenskultur pflegen, die gleichberechtigte Teilhabe fördern und den sozialen Zusammenhalt stärken. Dazu bedarf es ernst gemeinter Offenheit. Es bedarf der Bereitschaft, unsere eigenen Vorstellungen und Vorurteile zu hinterfragen, neugierig auf andere Menschen und Sichtweisen einzugehen und voneinander zu lernen. Daraus kann echte Internationalität entstehen, etwas Neues, Kraftvolles, nach vorne Gewandtes“, führt Projektleiter David Tchakoura aus. Die Zusammenlegung der Stabsstellen des „Integrationsbeauftragten“ und des „Integrationsbeauftragten mit Schwerpunkt Geflüchtete“ zur „Stabsstelle Konstanz International“ im Oktober 2020 folgte bereits dem Ansatz der Internationalität.

Projektablauf

In einem Auftaktworkshop 2020 wurden u.a. Handlungsfelder für das künftige Konzept bestimmt: Die Themen Engagement und Beteiligung, Bildung und Sprache, Gesundheit und Sport, Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung, Wohnen, Diversity Management und Kommunikation kristallisierten sich als besonders wichtig heraus. Außerdem wurden weitere relevante AkteurInnen und Inhalte identifiziert. Für jedes Handlungsfeld wurde der Ist-Zustand skizziert sowie Visionen, Ziele und erste Maßnahmen aus dem Prozess heraus formuliert. Die Relevanz und die grundsätzliche Umsetzbarkeit der im Konzept erwähnten Maßnahmen wurden mit betroffenen Ämtern abgeklärt. Je nach eigener Einschätzung der Priorität der Maßnahme und ihres Ressourcenbedarfs legten die Ämter die Umsetzungsfristen fest. Dabei wurde die Vorgabe der Steuerungsgruppe, dass keine zusätzlichen Ressourcen (weder finanziell noch personell) für die Umsetzungen der Maßnahmen aus dem Konzept bis 2024 zur Verfügung stehen, von den Ämtern berücksichtigt.

Selbstcheck Weltoffene Kommune

Die schriftliche Befragung von elf Ämtern und Abteilungen sowie vertiefende qualitative Interviews flossen im Juli 2020 als Bestandsaufnahmen in den Workshop „Selbstcheck Weltoffene Kommune“ ein. Konstanz war als eine von 35 Modellkommunen für das bundesweite Projekt „Weltoffene Kommune“ ausgewählt worden und konnte so von der Expertise und den Instrumenten der Bertelsmann Stiftung und der Phineo AG profitieren. Die Selbsteinschätzung der Ämter erfolgte anhand eines Bewertungskatalogs in sieben Handlungsfeldern: Management und Steuerung, Fairer Zugang und Teilhabechancen, Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung, Interkulturelle Öffnung und Antirassismus, Engagement und Teilhabe, Zusammenhalt und Begegnung sowie Kommunikation und Konfliktmanagement. Diese Selbsteinschätzung stellte eine wesentliche Grundlage für die weitere Ausarbeitung des Konzepts „Konstanz Internationale Stadt“ dar.

Verschiedene Fachforen von 2020 bis 2021 führten zu einer vertieften Formulierung von Zielen. Eine Steuerungsgruppe wurde operativ eingerichtet. Die politische Beratung und Begleitung übernahm das Internationale Forum. Es steht dem Konstanzer Gemeinderat in Fragen der Integration sowie Migration in beratender Funktion zur Seite und setzt sich aus VertreterInnen von den Fraktionen und sachkundigen EinwohnerInnen zusammen, die ehrenamtlich mitwirken.

Im April 2022 konnte ein internationales Konzil durchgeführt werden, im Juli 2022 fand ein finaler Workshop mit dem Internationalen Forum statt. Das ursprüngliche Projektende im September 2021 verschob sich wegen der Corona-Pandemie, da auf digitale Beteiligungsformate zurückgegriffen werden musste, wo sonst Präsenztermine bessere Interaktionen und Diskussionen ermöglicht hätten.

102.000 Euro standen für die Entwicklung von „Konstanz Internationale Stadt“ zur Verfügung. Der Gemeinderat bewilligte 25.000 Euro, das Sozialministerium stellte im Rahmen des Förderprogramms „Integration vor Ort – Stärkung kommunaler Strukturen“ einen Zuschuss in Höhe von knapp 77.000 Euro zur Verfügung.

So geht es weiter

Die bisherige Steuerungsgruppe wird nach dem Gemeinderatsentscheid ihre Arbeit fortsetzen. Sie kann bei Bedarf hinsichtlich Leitung, Zusammensetzung und Arbeitsweise weiterentwickelt werden. Die politische Beratung und Begleitung wird weiterhin das Internationale Forum übernehmen. Die thematischen Arbeitskreise spielen eine zentrale Rolle in der Umsetzung des Konzepts. Für alle Handlungsfelder werden Arbeitskreise weiterentwickelt bzw. neu eingerichtet. In diesen sollen sowohl verwaltungsinterne wie externe haupt- und ehrenamtliche Akteure an der konkreten Umsetzung und ggf. Neuformulierung von Maßnahmen zusammenarbeiten. Die Leitung und Koordination des Gesamtprozesses hat weiterhin die Stabsstelle Konstanz International inne. Eine Fortschreibung des neuen Konzepts ist alle zwei Jahre vorgesehen. Sie soll den Bericht über die Umsetzung des Konzepts enthalten, eine aktualisierte Bedarfsermittlung sowie die Planung der zukünftigen Maßnahmen u.a. unter Berücksichtigung der Ressourcenverfügbarkeit.

Im November 2022 soll das Konzept „Konstanz Internationale Stadt“ im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung mit Talk- und Infotainment-Charakter vorstellt werden.

Beispiele für Ansprüche und Maßnahmen

Viele Maßnahmen sind für die sieben Handlungsfelder bereits geplant. Im Handlungsfeld Engagement und Beteiligung soll bis 2024 zum Beispiel das Internationale Forum auf neue Beine gestellt werden, inklusive einer Satzungsänderung und mehr Beteiligung von Menschen mit internationaler Biografie. Im Handlungsfeld Bildung und Sprache will das Sozial- und Jugendamt bis 2024 spezielle Kinderbetreuungsangebote für Kinder von Eltern in Integrationskursen schaffen.

Bis 2027 sollen u.a. im Handlungsfeld Gesundheit und Sport Maßnahmen für Geflüchtete entwickelt und umgesetzt werden, die sie befähigen, gesundheitliche Präventions- und Versorgungsangebote in Anspruch zu nehmen. Im Bereich Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung wird das Sozial- und Jugendamt Praktika- und Beschäftigungsmöglichkeiten in Kitas für Geflüchtete bzw. Neuzugewanderte mit niedrigen deutschen Sprachkenntnissen schaffen, die an eine gezielte Sprachförderung gekoppelt sind. Das Amt für Stadtplanung und Umwelt ist im Handlungsfeld Wohnen aufgefordert, die Themen Diversität, Internationalität und Interkulturalität stärker zu verankern. Dabei soll bis 2027 ein verwaltungsinternes Fortbildungsangebot „Interkulturelle Stadtplanung“ helfen. Um die Diversität in der Stadtverwaltung voranzubringen, sollen bis 2027 im Bereich Diversity Management mehr Mitarbeitende mit internationaler Biografie gewonnen werden. Das Handlungsfeld Kommunikation sieht vor, dass bis 2027 u.a. ein interner SprachmittlerInnen-Pool aufgebaut wird.

(Erstellt am 06. Oktober 2022 16:08 Uhr / geändert am 02. Dezember 2022 12:25 Uhr)