Jeder Ast zählt

Der Erhalt und die Entwicklung des städtischen Baumbestandes sind wichtige Aufgaben der städtischen Grün- und Freiraumplanung

Ein großer Baum mit grünen Blättern steht zwischen einem orangen und blau-grünem Wohnhaus.
Ein Beispiel für die prägende Wirkung von Bäumen im Stadtbild ist die Linde auf Höhe der Radolfzeller Straße 48.

Bäume produzieren Sauerstoff, den wir zum Leben benötigen. Gleichzeitig binden die Pflanzen Kohlenstoff und bremsen damit den Klimawandel. Da sie Staub und Partikel aus der Luft filtern, gelten Bäume als die „Grüne Lunge“ der Städte. Sie spenden Schatten und kühlen im Sommer die Umgebung. Bäume bieten vielen Tieren Nahrungsquelle und Unterschlupf und beleben unsere Innenstadt. Dieser Bedeutung für Mensch und Umwelt trägt die Baumschutzsatzung der Stadt Konstanz von 2006 Rechnung. Sie beinhaltet Vorschriften zum Erhalt und zur Entwicklung, aber auch zu Fällungen, Schutz- und Pflegemaßnahmen sowie Ersatzpflanzungen.
 
Verantwortlich für die Planung des öffentlichen Grüns und der Stadtgestaltung – und damit auch der Baumpflanzungen – ist das Amt für Stadtplanung und Umwelt (ASU), welches auch als Genehmigungsbehörde für die Baumschutzsatzung fungiert. Die Abteilung Grünpflege und Gärtnerei der Technischen Betriebe Konstanz (TBK) ist für Unterhalt und Entwicklung des öffentlichen Grüns der Stadt Konstanz verantwortlich. „Wir arbeiten eng zusammen“, erklärt Simon Finkbeiner von der Abteilung Umwelt, Objekt und Freianlagen im ASU. Der Diplomingenieur für Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung (FH) koordiniert mit seinen KollegInnen seit 2020 Baumpflanzungen und -entnahmen im Stadtgebiet und den Teilorten.
 
Rund 16.000 Stadtbäume
„Unser Ziel ist es, auch in Zukunft eine grüne Stadt zu haben. Das ist ein hohes Gut, das wir erhalten und ausbauen wollen“, umreißt Simon Finkbeiner die städtische Strategie. „Die Erhaltung und Neuanpflanzung von Bäumen innerhalb öffentlicher Freiräume ist ein wichtiger Aufgabenschwerpunkt der städtischen Freiraumplanung. Angesichts des Klimawandels hat die Bedeutung und Wertschätzung des öffentlichen Grüns für das Wohlbefinden und als Standortfaktor deutlich zugenommen.“ Rund 16.000 Bäume stehen auf öffentlichen Flächen. Rund 150 bis 200 neue Bäume pflanzen die TBK durchschnittlich jährlich im Stadtgebiet, teils um entfallene Bäume zu ersetzen, teils im Rahmen von Neubauprojekten und zur Ergänzung des Baumbestandes. „In dieser Pflanzsaison sind es bereits 350 neue Bäume“, sagt Christoph Stocker, Baumsachverständiger der TBK. Seit dem Jahr 2000 sind so rund 1.700 Bäume neu gepflanzt worden, die Parks, Grünanlagen, Spielplätze, Außenanlagen von Schulen, Kitas, Sportanlagen und Straßenräume verschönern. „Grünbereiche sind ein wichtiger Beitrag zur Klimaanpassung, vor allem in stark frequentierten Verkehrsbereichen“, betont Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn.
 
Neue Baumstandorte identifiziert
Baumpflanzungen sind ein Generationenprojekt, für das schon heute viele Weichen gestellt werden müssen. Das ASU hat deshalb neue Baumstandorte für ca. 110 Bäume innerhalb befestigter Straßen und Plätze, ca. 105 Bäume innerhalb vorhandener Grünflächen und ca. 50 Bäume innerhalb der freien Landschaft identifiziert. „Diese Liste soll in den nächsten fünf Jahren fortgeschrieben und aktualisiert werden“, erklärt Simon Finkbeiner. 30 000 Euro hat der Gemeinderat Anfang 2021 dafür im städtischen Haushalt eingestellt. Das Budget des ASU für Pflanzungen hat sich dadurch von 45 000 auf 75 000 Euro erhöht. Die Kosten für eine Sanierung oder Neupflanzung betragen zwischen 3000 und 6000 Euro pro Baum. In Anbetracht der finanziellen Grenzen und des notwendigen Personaleinsatzes müssen Aktionen deshalb priorisiert werden. „Wir wollen möglichst viele Bäume pflanzen, wo es besonders sinnvoll ist, wie an Schulen und Kitas“, erklärt Simon Finkbeiner. „Viele gute Standorte sind allerdings belegt, oder sie stehen in Konkurrenz mit anderen Nutzungen, wie zum Beispiel Fahrradabstellplätzen, Werbeflächen oder Schaltkästen“, so Finkbeiner.
 
Prüfung der Umsetzbarkeit
Bei den neu identifizierten Standorten oder bei Pflanzungen, die saniert werden müssen, prüft das ASU ökologische, stadt- und denkmalplanerische, verkehrliche und technische Belange. Wichtig ist zum Beispiel die Kontrolle, ob Leitungstrassen an der vorgesehenen Stelle verlaufen. Hier kommt das „Programm zur Koordinierung der Baumaßnahmen“ ins Spiel. Verschiedene Ämter und städtische Betriebe wie Tiefbauamt, Stadtwerke, Entsorgungsbetriebe, TBK und Denkmalamt, der städtische Behindertenbeauftragte, Feuerwehr, Polizei sowie weitere Akteure geben Informationen über anstehende Baumaßnahmen auf eine gemeinsame Plattform ein und melden Bedarfe an. Beispiel: Die Stadtwerke melden die Verlegung neuer Leitungen oder Kanalarbeiten über das Programm. Das ASU prüft, ob bereits vorhandene Baumstandorte davon betroffen sind. Es kann nun entscheiden, ob es die Bauarbeiten nutzt, um vorhandene Baumstandorte zu vergrößern, zu verlegen oder um neue Bäume zu pflanzen. Das Ziel ist dabei, möglichst große, leitungsfreie Pflanzgruben zu bekommen. „Durch diese Koordination sparen wir Kosten, da wir Baumpflanzungen im Zuge von Bauarbeiten durchführen und die Maßnahmen bündeln“, erklärt Simon Finkbeiner. Nachpflanzungen können deshalb auch erst eine Pflanzsaison später erfolgen, um sie mit Bauarbeiten zu koordinieren.
 
Nach Fällung folgt Pflanzung
Alle öffentlichen Bäume sind im städtischen Baumkataster verzeichnet und werden in regelmäßigen Abständen auf Schadbefall oder Erkrankungen, Sturm- und Klimaschäden kontrolliert. Denn der Stadt obliegt für die Verkehrssicherheit zu sorgen. Bevor ein Baum gefällt wird, stimmen sich ASU und TBK eng ab. In Betracht gezogen werden neben der Verkehrssicherheit auch artenschutzrechtliche Belange, ebenso wie die Auswirkungen auf das Siedlungs- und Landschaftsbild und die historische und emotionale Bedeutung des Baumes. Nachpflanzungen werden meist am selben Ort, oder in unmittelbarer Nähe durchgeführt.
 
Klimawandel und Biodiversität
Welche Arten wo gepflanzt werden, entscheiden ASU und TBK in fachlicher Abstimmung. Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der Baumart ist das Platzangebot für die Krone, ebenso wie das Volumen des Wurzelwerks. Es darf zum Beispiel keine Ver- und Entsorgungssysteme bedrohen. An manchen Orten sind deshalb leider keine Pflanzungen möglich. Das Durchschnittsalter der Konstanzer Stadtbäume beträgt heutzutage rund 45 Jahre, da sie höheren Belastungen ausgesetzt sind als zu ihrem Pflanzzeitpunkt. Das Leben der Stadtbäume ist nicht nur wegen verdichteter und versiegelter Böden, Streusalz und Müll hart. Klimaveränderungen stressen die Bäume zusätzlich. Einheimische Stadtbäume wie Linde, Buche und Ahorn sind von starker Hitze und Wassermangel besonders betroffen. Der Trockenstress schwächt auch ihre Widerstandskraft gegen Schädlinge, Starkwetterereignisse hinterlassen zusätzlich ihre Spuren. Neben der einzelnen Entscheidung für einen Baum ist auch die Zusammensetzung der Baumarten im Gebiet relevant. „Die Artenvielfalt steigt mit gemischten Alleen aus heimischen, asiatischen und südosteuropäischen Baumarten“, erklärt Christoph Stocker. Nicht nur aus Sicht der Biodiversität wird ein gemischter Baumbestand angestrebt. Auch mit Blick auf neu auftretende, meist auf eine Baumart spezialisierte Schädlinge ist eine Durchmischung wichtig. Daher werden in Konstanz gezielt gemischte Bestände an Straßen und auf Plätzen und Freianlagen entwickelt. Wuchsform, Fruchtfall, Duft und Allergenstatus sollen optimal zum Standort passen. „Fachlich greifen wir dabei u.a. auf unsere und auf Erfahrungen der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz zurück“, berichtet Simon Finkbeiner.
 
Wurzelraum und Wasser
Um den Neupflanzungen und Bestandsbäumen beste Voraussetzungen zu bieten, wird von der TBK nach Möglichkeit ein artgerechter und angemessener Wurzelraum geschaffen. Denn der urbane Boden weist schlechte Lebensbedingungen auf. Die Böden sind oft stark verdichtet, Versorgungsleitungen und der Unterbau von Gehwegen und Straßen bieten den Wurzeln wenig Raum zur Entwicklung. Um die Baumquartiere optimal vorzubereiten, setzt die TBK durchwurzelfähiges Substrat ein und „impft“ den Boden mit Mykorrhiza-Pilzkulturen. „Die Wurzeln werden so besser mit Nährstoffen versorgt“, so Christoph Stocker. „Oft werden wir gefragt, warum wir so ‚kleine‘ Bäume pflanzen. Kleinere und kompaktere Bäume passen sich besser an die Umgebung an“, so Finkbeiner. Viel Energie fließt in die Pflege der Jungbäume. Die ersten 25 Jahre sind entscheidend für die Entwicklung einer guten Baum- und Kronenstruktur. Da Jungbäume aufgrund der Klimaänderungen mehr Hitze und Trockenheit ausgesetzt sind, müssen sie auch mehr gewässert werden. „Auch BürgerInnen können zu gesünderen Bäumen beitragen. Die Straßenbäume vertragen im Sommer gut zehn große Gießkannen einmal in der Woche. Es gilt die Regel – lieber einmal mehr gießen als nur ein bisschen. Dann können sich die Wurzeln vollsaugen“, empfiehlt Simon Finkbeiner.
 
Klimabäume
Mit der Aktion „Klimabäume“ motiviert die Stadt auch Privatleute, Bäume auf ihren Grundstücken zu pflanzen und damit aktiv den Klimaschutz mitzugestalten. Der Gemeinderat beschloss am 17. Dezember 2019, diese private Pflanzaktion klimagerechter Jungbäume zu fördern, um positive Effekte für Klimaschutz und Wohnqualität zu generieren. 50.000 Euro wurden dafür in zwei Etappen zur Verfügung gestellt. Insgesamt wurden 1.100 Bäume verteilt. „Die EigentümerInnen haben über 80 Prozent Obstbäume ausgewählt“, berichtet Finkbeiner. Zusätzlich gibt es in den Vororten seit Jahren Hochstamm-Aktionen, in denen nochmals ca. 50 bis 100 Obstbäume gepflanzt werden.
 
Baumpatenschaften
Privatleute können in Abstimmung mit dem ASU Baumpflanzungen an öffentlichen Orten mit Spenden unterstützen. Ab 250 Euro kann man eine Baumpatenschaft übernehmen. Aber auch großzügige private Spenden sind möglich. So unterstützt eine Bürgerin die Anpflanzung neuer Bäume in der Mainaustraße mit 20 000 Euro. Über den Standort können sich die BürgerInnen individuell mit dem ASU abstimmen, die TBK übernimmt die Pflanzung, die im Herbst oder Frühjahr erfolgt. Eine Plakette weist nach Wunsch auf die Spende hin. „Viele wollen mit so einer Baumpatenschaft an eine Hochzeit oder ein Jubiläum erinnern“, erklärt Finkbeiner. Anfragen zu Baumpatenschaften nimmt das ASU gerne entgegen.

Sieben Männer stehen um einen neu gepflanzten Baum und schauen in die Kamera. Alle tragen Mundschutz. Manche haben Werkzeug in der Hand.
Sumpfeichen wurden neu in der Mainaustraße gepflanzt. Eine private Großspende in Höhe von 20.000 Euro hat dies unterstützt. Insgesamt 30 Baumpflanzungen rund um den Sternenplatz und in der Spanierstraße sind in den vergangenen Monaten entstanden. Dafür packen (v.l.) die Mitarbeiter der TBK Werner Wermuth, Herbert Maier, Mahamed Abdulahi, Martin Wichmann, Abteilungsleiter Umwelt und Grün des ASU, Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, Simon Finkbeiner (ASU) und TBK-Baumsachverständiger Christoph Stocker gerne mit an.
(Erstellt am 25. Mai 2021 14:46 Uhr / geändert am 28. Juni 2021 13:41 Uhr)