34. China-Asien-Netzwerktreffen

Militärputsch und Corona-Pandemie – Myanmars Tragödie

Sie gestalteten das 34. China-Asien-Netzwerktreffen (von links): Claus-Dieter Hirt, Referat Oberbürgermeister, Allgemeinmediziner Friedrich Fröhle, Jochen Schultz, Vorstand China Netzwerk Baden-Württemberg, Professor Helmut Weber, HTWG, Kinderärztin Marlies Gremminger-Fröhle und Dr. Cornelia Mallebrein, Vorsitzende Deutsch-Indische Gesellschaft.

Nach einer coronabedingten Pause sind die China-Asien-Netzwerktreffen wieder aufgenommen worden. Am 5. Oktober 2021 standen bei der 34. Auflage die Entwicklungen in Myanmar im Mittelpunkt.

Der südostasiatische Staat Myanmar war in den vergangenen Jahren durch Reformen und Demokratisierungsbemühungen auf einem guten Weg, wirtschaftliche und soziale Stabilität zu erreichen. Diese Phase wurde im Februar 2021 durch den Militärputsch und die brutale Unterdrückung der Zivilbevölkerung jäh unterbrochen, zusätzlich geriet dadurch die Corona-Pandemie außer Kontrolle. Wie es aktuell in Myanmar aussieht, schilderten vier Referentinnen und Referenten aus beruflicher und ehrenamtlicher Perspektive auf dem 34. China-Asien-Netzwerktreffen im Großen Ratssaal vor 35 zugelassenen Gästen. Darüber hinaus wurde das neue China Netzwerk Baden-Württemberg vorgestellt.  

Den Reigen der insgesamt vier Vorträge eröffnete Professor Helmut Weber von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz (HTWG) mit seinem Referat „Von der Hoffnung in die Depression - Die Universitäten Myanmars in Zeiten von Coronavirus und Militärputsch“. Er sprang als Ersatz für Prof. Dr. Judith Beyer von der Universität Konstanz ein, die verhindert war. Seit vielen Jahren arbeitet Helmut Weber im Bereich der Hochschulentwicklung. An der University of Economics in Yangon, der Hauptstadt Myanmars, baute er in den letzten Jahren gemeinsam mit burmesischen Kolleginnen und Kollegen den Masterstudiengang Hotel & Tourism Management auf. Helmut Weber gab einen allgemeinen Abriss über die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen des Putsches, der die meisten Burmesen, wie auch die Staatenwelt überrascht hat. Vermutet wird, dass das Militär dadurch seine Macht erhalten und ausweiten wollte. Der zunächst friedliche Bürgerprotest wurde von den Soldaten und Sicherheitskräften mit brutaler Gewalt niedergeschlagen. Das Militär besetzte Schulen, Universitäten, Krankenhäuser und Verwaltung. Die Folgen sind katastrophal: hunderttausende Menschen sind auf der Flucht, Hunger herrscht, das Gesundheitssystems ist zusammengebrochen. Die „Bewegung des zivilen Ungehorsams“ hat sich in den Untergrund geflüchtet und leistet mit Anschlägen Widerstand. Auf politischer Ebene haben u.a. europäische Länder Sanktionen ausgesprochen, aber da sich China und die Nachbarstaaten zurückhalten, bzw. die Putschisten unterstützen, kann die Zivilbevölkerung auf keine Hilfe von außen hoffen.

Für das Projekt von Helmut Weber bedeutete die Schließung der Universität wegen Corona im März 2020 bereits eine große Belastung. Der Putsch im Februar 2021 habe nun das gesamte Bildungssystem umgekrempelt. Das Militär hat an den Universitäten Personal und Dozenten entlassen oder ausgetauscht, die Studierenden leisten zivilen Ungehorsam durch Abwesenheit. „Keiner der 70 Teilnehmer des Studiengangs hat sich zurückgemeldet. 90 Prozent der Lehrer und Studenten haben sich dem zivilen Widerstand angeschlossen“, erzählte Helmut Weber. Die Stimmung unter den Dozenten und Studenten sei verzweifelt. „Was ist mit unserer Zukunft geschehen. Wir haben den Boden unter den Füßen verloren“, beschrieb eine burmesische Kollegin die Lage. Denunziationen vergifteten die Gesellschaft. All dies bedeute nichts Gutes für Myanmar. Die Errungenschaften der Demokratie seien weitgehend zerstört, junge, gebildete Menschen wollen das Land verlassen, die materielle Not weite sich aus.

Ähnlich Dramatisches berichtete das Reichenauer Ärztepaar Dr. Marlies Gremminger-Fröhle und Dr. Friedrich Fröhle in ihrem Vortrag „Aktion Myanmar: Medizinische Hilfe, der Militärputsch und die Coronakrise“. Sie leiten den Verein „Aktion Myanmar“, der sich für eine ärztliche Grundversorgung mittelloser Burmesen engagiert. Das Paar berichtete von seiner Arbeit in einer Ambulanz in Ngapali im nördlichen Landesteil Myanmars. Dutzende diese Ambulanzen gehen auf die Initiative des französischen Arztes Alain Patel zurück. Sie werden von ortsansässigem medizinischem Personal betrieben, Ärzteteams wie die Fröhles arbeiten dort mehrere Monate im Jahr ehrenamtlich. „Wir sind unglaublich beeindruckt von den Menschen. Die Frauen sind das Rückgrat der Gesellschaft“, erklärte Friedrich Fröhle. Der Verein „Aktion Myanmar“ konnte dank Spenden Laboruntersuchungen, Röntgenaufnahmen, Ultraschall und EKG in der Ambulanz ermöglichen und die Löhne der Mitarbeiter zahlen. Der Putsch habe massive Auswirkungen: Alle Ambulanzen mussten schließen, das Militär hat die Krankenhäuser für die eigenen Angehörigen besetzt und beansprucht alle Covid-Behandlungen. Über einen deutschen Hotelier vor Ort konnten die Fröhles mit ihrer burmesischen Krankenschwester eine Not-Ambulanz einrichten und Geld für Lebensmittelkäufe schicken. „Der bereits allgegenwärtige Hunger ist jetzt ganz schlimm“, berichtete Marlies Gremminger-Fröhle.

Dr. Cornelia Mallebrein, die Vorsitzende der Deutsch-Indischen Gesellschaft, hatte in den letzten Jahren touristische Reisen nach Myanmar organisiert. Sie ergänzte die Ausführungen von Helmut Weber und den Fröhles durch Berichte von Freunden und Mitarbeitern im Tourismusgewerbe. Der Terror des Militärs habe das Leben und die Wirtschaft in weiten Teilen lahmgelegt, Arbeitslosigkeit schüre die Armut. Über ihre Kontakte vor Ort hatte Cornelia Mallebrein zwei Projekte unterstützen können: Das Begräbnis von Covid-Toten aus einem entlegenen Gebiet sowie die Beschaffung von Sauerstoffflaschen und Kompressoren für die Beatmung von Covid-Patienten. Momentan könne aufgrund der schlechten Sicherheitslage vor Ort nur noch Geld an arbeitslose Bekannte aus dem Tourismusbereich transferiert werden.

Nach dem Länderschwerpunkt zu Myanmar beendete der Vortrag von Jochen Schultz, Mitglied des Vorstands im neuen China Netzwerk Baden-Württemberg (CNBW) den Abend. Das CNBW ist eine gemeinnützige Plattform, die auf Privatinitiative beruht. „Wir verstehen uns als neutraler Organisator und Moderator, der sich für den Austausch von Meinungen und Know-how zwischen China und Deutschland einsetzt. Unser Ziel ist die Informationsbasis im wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereich zu verbreitern“, erklärte Schultz. Über die Zusammensetzung der Mitglieder, Arbeitskreise, Umfragen, Veranstaltungen und Weiterbildungsangebote kann man sich auf der Webseite https://china-bw.net/de informieren. Dort sind auch ein Infocenter und der Podcast China Ticker zu finden.

Das nächste China-Asien-Netzwerktreffen findet am 5. April 2022 statt. Mehr unter www.konstanz.de. Hier kann auch der Newsletter über internationale Aktivitäten der Stadt Konstanz abonniert werden.

(Erstellt am 18. Oktober 2021 09:57 Uhr / geändert am 21. Oktober 2021 02:00 Uhr)