„Ausdauer, Mut, Zusammenhalt“
Lisa Marie Schultes ist 25 Jahre alt und bereitet sich gerade auf ihr erstes Staatsexamen vor. Ein Jurastudium ist zeitaufwändig und anspruchsvoll, die Vorbereitungen auf das Staatsexamen noch viel mehr. Trotzdem findet sie die Zeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Seit drei Jahren berät und betreut Lisa Marie Schultes in der Refugee Law Clinic, einem gemeinnützigen Verein an der Universität Konstanz, in dem Jurastudierende vor allem Geflüchteten mit einer Rechtsberatung beiseite stehen. Der Dachverband besteht deutschlandweit mit 38 Standorten an verschiedenen Universitäten des Landes.
Jeden Samstag bietet die Konstanzer Refugee Law Clinic eine offene Sprechstunde im Café Mondial an, die ohne Termin besucht werden kann. Das sei der Gruppe wichtig gewesen, um das Angebot niederschwellig zu halten und so möglichst vielen Menschen Hilfe bieten zu können. Lisa Marie Schultes berät in dieser Sprechstunde, kümmerte sich in ihrer Vorstandsposition aber auch um organisatorische Dinge. Beispielsweise müssen neue Mitglieder der Refugee Law Clinic gründlich geschult werden und auch erfahrene Mitglieder wie Schultes durchlaufen regelmäßig Fortbildungen, da sich das Migrationsrecht ständig wandelt.
Die Fälle variieren stark: Von schnellen Übersetzungen komplizierter Behördenbriefe bis hin zu Fragen rund um das Chancenaufenthaltsgesetz – alles kann vorkommen. Vor allem in komplexeren Fällen erstreckt sich die Beratungsarbeit weit über die wöchentliche Sprechstunde hinaus. „Die wenigsten Rechtsfragen, die reinkommen, können wir pauschal beantworten. Man muss schon immer noch recherchieren, gibt’s Rechtsprechungen, gibt’s Kommentare.“ So kommen pro Fall leicht vier bis fünf Stunden Recherchearbeit auf, die sich glücklicherweise auch mal unter den Ehrenamtlichen aufteilen lasse, so Schultes. Die Hauptarbeit finde somit meist außerhalb der Beratungsstunde statt. So erzählt sie von einem Kollegen, der sich vier Wochen lang mit nur einem Fall beschäftigte und im Zuge dessen sogar mit Behörden in Griechenland telefonierte. Sie selbst hat Mandanten, die sie schon seit Beginn ihres Engagements vor drei Jahren betreut. In Fällen des Familiennachzugs kann es auch mal passieren, dass sie irgendwann die ganze Familie betreut und Folgefragen beantwortet.
Motiviert, diese beträchtliche Arbeit zu leisten, ist Lisa Marie Schultes dennoch. Begonnen hat sie aus dem „Wunsch, etwas Gutes mit dem Jurastudium machen zu können“. Zu dieser Zeit wurde das Thema der Seenotrettung viel in den Medien diskutiert. Das habe als Inspiration gedient, geflüchteten Menschen helfen zu wollen. Lisa Marie Schultes fragte sich, was sie von Konstanz aus tun konnte und meint: „Es war naheliegend, vor Ort Geflüchteten zu helfen und vielleicht so einen kleinen Beitrag zu leisten.“ Dass ihr „kleiner“ Beitrag großes im Leben des Einzelnen bewirken kann, darüber ist Schultes sich im Klaren. Sie habe einen großen Respekt vor der Arbeit, denn sie könne den entscheidenden Unterschied im Leben ihrer Mandanten machen. Zweieinhalb Jahre habe sie einen Mandanten betreut, ihn durch viele bürokratische Hindernisse unterstützt. Jetzt besitze er einen dauerhaften Aufenthaltstitel, konnte sogar sein Studium hier abschließen. Als Dank schrieb er ihr einen Brief. Dieser hänge über ihrem Schreibtisch als Motivation für das Staatsexamen, so Schultes, denn für das Engagement bei der Refugee Law Clinic brauche man „Ausdauer und Mut“. Dennoch ist es den Aufwand sicherlich wert: „Solche Erfahrungen, dafür lohnt sich die viele Arbeit die man reinstecken muss.“