Wie wurden die Lotsen ausgewählt?

Als im August 2018 klar wurde, dass das Projekt in die Wege geleitet werden soll, wurden die Führungskräfte fast aller städtischen Bereiche aufgefordert, eine Person auszuwählen, die die Rolle des Digitallotsen für ihren Bereich übernehmen soll. Diese Auswahl geschah sehr unterschiedlich: Teilweise wurde das gesamte Amt gefragt, wer Interesse daran hätte, teilweise wurden die Personen aber auch bestimmt oder die Führungskraft entschied sich, die Rolle des Digitallotsen selbst zu übernehmen. Viele der damals ernannten Digitallotsen sind heute noch dabei. Aufgrund personeller Umstrukturierung oder des zeitlichen Zusatzaufwandes, der zu diesem Zeitpunkt nicht allen bewusst war, kam es zu Veränderungen beziehungsweise Anpassungen in der Zusammensetzung der Digitallotsen. Bis zum endgültigen Auftakt der Konstanzer Digitallotsen stand eine gemeinsame Gruppe fest, die sich im Jahr 2019 geformt hat. 

Gruppenfoto der Digitallotsen

Die Module

In der Beteiligungsgruppe wurde Anfang 2019 ein gemeinsamer Fahrplan der Digitallotsen 2019 festgelegt. Es wurde sich darauf geeinigt, dass die Lotsen an insgesamt vier eintägigen Modulen zusammenkommen:

Modul 1: Teambuilding

Alle Digitallotsen stammen aus unterschiedlichen Fachbereichen der bunten Aufgabenfelder einer Stadtverwaltung. Mit dieser interdisziplinären Arbeitsgruppe kamen viele Digitallotsen zum ersten Mal überhaupt in Kontakt mit Mitarbeitenden aus anderen städtischen Verwaltungsabteilungen. Um die Beziehungsebene der Lotsen und das gegenseitige Verständnis und Vertrauen zu stärken, begann im Juni 2019 das erste Modul nach der Vorbereitungsphase. Im Fokus stand dabei das Kennenlernen untereinander, da die meisten Lotsen zuvor noch nicht zusammengearbeitet haben und aus sehr unterschiedlichen Bereichen stammen. Um eine andere Atmosphäre als die gewohnte Umgebung in den städtischen Gebäuden zu schaffen, wurde für diesen Tag ein Raum im St. Elisabeth Hotel in Hegne gemietet.

Hans Fischer-Schölch führte die Digitallotsen dabei als Coach und Berater mit einem Teambuilding-Programm durch den Tag. Ziele waren hierbei die folgenden: 

- Verständnisschaffung für digitale Transformation und die Auswirkungen auf Zusammenarbeit
- Aufgabenklärung
- Rollenklärung
- Zielarbeit im Team definieren
- Kennenlernen und Vernetzen 
- Arbeiten auf Augenhöhe - wie kann das aussehen?
- Herausforderungen selbstorganisierter Teams
- Als Team lösungsfokussiert arbeiten

Am Ende des Tages konnten die Digitallotsen folgende Ergebnisse des Moduls herausarbeiten:

- Die Funktion des Digitallotsen beschreibt einen abgegrenzten Aufgabenbereich, der einem Aufgabenträger oder Stelleninhaber zugeordnet ist und den er in eigener Verantwortung ausführt. In diesem Fall bedeutet das, dass eine Abgrenzung zu der sonst alltäglichen Funktion im jeweiligen Tätigkeitsbereich besteht

- Eine Aufgabe in der Organisationslehre ist die von einem Aufgabenträger wahrgenommene, dauerhaft geltende Anforderung, Verrichtungen an Arbeitsobjekten bestimmter Ziele zu erreichen. 

- Unter einer Rolle wird prinzipiell eine Erwartung in ein Verhalten verstanden. Genau diese Erwartung ist ein lang anhaltender Prozess für die Digitallotsen, da sie einerseits selbst Erwartungen an sich stellen, aber andererseits unklar ist, welche Erwartungen an ihr Verhalten von allen anderen Beteiligten gestellt werden. Dieses Rollenverständnis sollte von Modul zu Modul klarer werden, wird sich aber stetig ändern und weiterentwickeln.

Modul 2: Grundlagenwissen

Nachdem sich die Gruppe im ersten Modul kennengelernt hat und sich über ihre Rolle als Digitallotse deutlich bewusster wurde, ging es im Juli 2019 in Modul zwei um die erste Qualifizierungsphase. Hierbei lag der Fokus auf dem Thema E-Government. Um den Digitallotsen tatsächliches Expertenwissen weiterzugeben, führte Peter Klinger, ehemaliger Hauptamtsleiter und zuletzt Chef der Hagener Betriebe für Informationstechnologie, durch den Tag. Er gilt als deutschlandweit renommierter Experte für E-Government-Themen innerhalb der öffentlichen Verwaltung. Ziel war es, fachliche, rechtliche und neue Formen des Themas E-Government zu erlernen, um die neuen Kenntnisse in Zukunft anwenden und an Kollegen weitergeben zu können.

Das zweite Modul lehrte die Digitallotsen, dass E-Government für die öffentlichen Bereiche immer wichtiger wird. Dabei spielen besonders Agilität und Bürgerorientierung eine große Rolle. Die Servicequalität kann durch E-Government in Form von beispielsweise Online-Terminvereinbarungen effizienter gestaltet werden. Zudem nimmt der Medienbruch durch die digitale Speicherung personenbezogener Daten deutlich ab. Bürger erwarten, dass ihre Anliegen durch die Verwaltung schnell und unbürokratisch erledigt werden. E-Government kann diesen Servicegedanken verbessern und die Verwaltung bürgerfreundlicher gestalten. 

In seinem Vortrag betonte Herr Klinger jedoch die Demografie als entscheidendsten Grund für die Unabdingbarkeit des E-Governments. 44 Prozent aller Beschäftigten in öffentlichen Kommunen Baden-Württembergs sind 50 Jahre oder älter. In spätestens 15 Jahren wird demnach ein Hauptkern der kommunalen Fachkräfte fehlen. Es werden zwar fortlaufend neue Mitarbeiter eingestellt, dennoch wird eine Fluktuationsrate von einem Prozent pro Jahr erwartet. Diese Mehrarbeit kann nicht alleine auf den Schultern der jüngeren Mitarbeiter lasten. Stattdessen soll die Mehrarbeit durch die fortschreitende Digitalisierung und Vereinfachung von Prozessen reduziert werden.

Es ist also wichtig zu erwähnen, dass die Digitalisierung Mitarbeiter nicht ersetzen, sondern dem aufkommenden Fachkräftemangel entgegenwirken soll. Besonders in der öffentlichen Verwaltung muss daher niemand um seinen Arbeitsplatz fürchten! E-Government stellt auch laut Peter Klinger lediglich die logischste und am einfachsten umzusetzende Lösung für die Veränderungen des Arbeitswesens und der Arbeitsaufgaben dar.

Modul 3: Methodenkompetenz

Nach der erfolgreichen Qualifizierungsphase haben die Digitallotsen während des zweiten Review-Termins gemeinsam abgestimmt, welcher vorgeschlagene analoge Prozess gemeinsam angegangen und digitalisiert werden soll. Dabei haben die Lotsen folgendermaßen abgestimmt:

Tabelle zur Visualisierung der Antworten: 24 Stimmen für die Digitalisierung des Dienstantrages und der Reisekostenabrechnung

Wie die Abbildung zeigt, hat der Prozess des Dienstreiseantrags bzw. der Reisekostenabrechnung die meiste Zustimmung erhalten. Daraufhin setzte sich die Beteiligungsgruppe zusammen, um zu überlegen, wie die Lotsen die optimale Vorbereitung und Unterstützung erhalten, diesen (noch analogen) Prozess anzugehen und ihn in einen digitalen Prozess umzuwandeln. Hierfür arbeiteten Mitarbeiter der IT-Abteilung und des Personal- und Organisationsamtes zusammen und konnten die Digitallotsen dadurch optimal durch den Tag führen. 

Aus allen drei Sichtweisen (Mitarbeiter, POA, Führungskräfte) wurde durch eine User Journey Map ersichtlich, dass der Prozess des Dienstreiseantrags und der Reisekostenabrechnung zu kompliziert aufgebaut war. Es wurde vor allem festgestellt, dass viele Prozessschritte nicht einheitlich waren. Darüber hinaus wurde angemerkt, dass bereits die Suche nach den richtigen Formularen eine Herausforderung war. 

Daher wurden anschließend die Nutzeranforderungen für einen digitalen Prozess mittels Service Blueprint, einer Methode zur Visualisierung von Prozessen, erstellt. Dadurch konnten die Nutzer mit einbezogen werden und die Sichtweisen auf den Prozess der unterschiedlichen Stakeholder bei einem Dienstreiseantrag und der Reisekostenabrechnung wurden festgehalten. Die drei Gruppen stellten anhand dieser Methode den aus ihrer Stakeholder-Sicht effizientesten Ablauf dar. Im Nachgang wurden die erarbeiteten Ergebnisse zusammengetragen und ein gewünschter Ablauf erstellt: 

1. Automatische Authentifizierung (SSO = Single-Sign-ON):
-> Stammdaten werden automatisch in den Feldern ausgefüllt
-> Hilfestellung bei gängigen Fragen: Informations-Buttons und FAQs

2. Führungskraft erhält eine Benachrichtigung über das System und genehmigt mit einem Klick über die gleiche webbasierte Lösung/Software/Tool mit SSO den digital ausgefüllten Dienstreiseantrag

3. Antragsteller bekommt eine E-Mail vom System über den Bearbeitungsstatus des Antrages

4. Beginn der Organisation für die Dienstreise
-> Verlinkung der DB Seite Stadt (mit Rabatt)
-> Verlinkung Flixbus etc.

5. Gesammelte Belege während der Dienstreise werden nach dem Einscannen/Abfotografieren in das System importiert
-> diese Daten werden vom Tool erkannt und die Felder der Dienstreiseabrechnung dadurch automatisch ausgefüllt

Modul 4: Lernreise

Für das vierte und letzte Modul für das Jahr 2019 war eine Lernreise vorgesehen. Um einen interkommunalen Austausch mit anderen Digitallotsen zu ermöglichen, fuhren die Konstanzer Lotsen daher nach Heilbronn. 

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