HTWG unterstützt Unternehmen bei der Erfassung von CO2-Emissionsquellen

Forschungskooperation zwischen Hochschule Konstanz und WERMA Signaltechnik aus Rietheim zur Treibhausgas-Bilanzierung: Prof. Dr. Erdal Yalcin nimmt mit Hilfe volkswirtschaftlicher Analysemethode auch die globale Wertschöpfungskette in den Blick

Drei Personen an einem weißen Stehtisch
Arbeiten im Forschungsprojekt zusammen (von links): Erich Martin, Leitung Werks- und Nachhaltigkeitsentwicklung WERMA, Katja Schiller, Energie-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement WERMA, Prof. Dr. Erdal Yalçin, Professor für Volkswirtschaftslehre und Internationale Wirtschaftsbeziehungen HTWG Hochschule Konstanz
Bild: WERMA Signaltechnik

Unternehmen sind dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren signifikant zu reduzieren. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Erfassung ihrer Emissionen. In Zusammenarbeit mit der Firma WERMA Signaltechnik GmbH + Co. KG wollen Forscher der HTWG Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung einen unternehmensspezifischen Prozess zur systematischen Emissionserfassung und -bilanzierung erstellen. „Die Erfassung von Treibhausgasemissionen kann nicht auf Basis einer Einheitslösung ermittelt werden. Jedes Unternehmen hat vielschichtige Emissionstreiber im eigenen Betrieb, aber auch entlang der Lieferketten und auch solche, die sich aus der Nutzung von weiteren Produkten ergeben“, erläutert Erich Martin, Leitung Werks- und Nachhaltigkeitsentwicklung der WERMA Signaltechnik GmbH + Co. KG. Die Forschungskooperation setzt an dieser Stelle an und zielt darauf ab, mit der Firma WERMA Signaltechnik GmbH + Co. KG eine sogenannte Toolbox zur vollständigen Erhebung individueller Treibhausgase zu entwickeln.

Die Firma WERMA Signaltechnik GmbH + Co. KG sei ein „optimaler Kooperationspartner“ für das Projekt, freut sich Prof. Dr. Erdal Yalcin, der sich mit globalen Wertschöpfungsketten und ihrer systematischen Erfassung schon lange auseinandersetzt und das Forschungsprojekt auf HTWG-Seite leitet. Auf dem Gebiet der Signaltechnik zählt das 1950 gegründete Familienunternehmen zu den Weltmarktführern und Technologieführern in der Produktion von optischen und akustischen Signalgeräten. Neben einem hoch technisierten Produktionsstandort in Baden-Württemberg weist es ferner eine globale Wertschöpfungsstruktur auf.

Kombination wissenschaftlicher Methoden mit individuellen Herausforderungen

„Wir werden volkswirtschaftliche Input-Output-Analysemethoden mit neuen Emissionsdaten zusammenführen, um unterschiedliche unternehmensspezifische Emissionsquellen zu identifizieren und deren Umfang zu ermessen. Darin liegt eine wesentliche Innovation“, sagt Prof. Dr. Erdal Yalcin. Die Input-Output-Analyse umfasst im Allgemeinen die vielschichtigen Bezugs- und Lieferverflechtungen zwischen Wirtschaftssektoren und kann aufschlussreiche Informationen über produktions- und gütermäßige Verflechtungen liefern. Das Konzept soll helfen, nicht nur zu verstehen, was das Unternehmen selbst an Treibhausgasen direkt verursacht, sondern auch, welche Umweltauswirkungen sich diesbezüglich innerhalb ihrer vor- und nachgelagerten Wertschöpfung ergeben. Dazu sollen unternehmensinterne Prozesse bei der Firma WERMA genutzt, analysiert und weiterentwickelt werden, die eine ganzheitliche Emissionserfassung für das Unternehmen ermöglichen.

Bei der Herstellung einer Signalleuchte ist beispielsweise das Spritzgießen von Kunststoffteilen ein entscheidender Produktionsschritt. Bevor dieser energieaufwändige Prozess jedoch angestoßen wird, müssen bei der Treibhausgas-Bilanzierung (THG-Bilanzierung) ebenso die vorgelagerten Schritte, von der Gewinnung des Rohöls über Verarbeitung und Veredelung des Granulats bis hin zu den unterschiedlichen Transportwegen, berücksichtigt werden.

Während die Erfassung von Emissionstreibern in einem Unternehmen gut identifiziert und quantifiziert werden können, verhält es sich insbesondere mit Zwischengütern aus Zulieferbetrieben deutlich komplizierter. „Oft liegen für zugekaufte Produkte keine Emissionswerte vor“, betont Prof. Dr. Erdal Yalcin und führt aus: Die systematische und vollständige Abbildung der unternehmensspezifischen Emissionen mit Hilfe der Input-Output-Analyse sei eine transparente und belastbare Methode. Sie könne in den Unternehmensprozess eingebunden werden, um regelmäßige Emissionsbilanzen in periodischen Abständen aufzustellen.

Eine ganzheitliche Messung als Zukunftsstrategie

Die angestrebte Toolbox zur Erfassung von Treibhausgasen erlaubt dem Unternehmen ferner ein Benchmarking. „Auf Basis der entwickelten Prozesse und der genannten Toolbox kann WERMA einen Vergleich mit durchschnittlichen Emissionsverflechtungen innerhalb der deutschen Industrie durchführen und entsprechende strategische Anpassungen im eigenen Unternehmen gezielter angehen“, kündigt Katja Schiller, zuständig für die Nachhaltigkeitsthemen bei WERMA, an. Zum anderen biete das Benchmarking eine Objektivität der Emissionsdaten mit Blick auf nicht zertifizierte Lieferanten. Katja Schiller wurde eigens für dieses praxisnahe Projekt freigestellt und kann durch die entstandene Kooperation betriebliche Praxis und wissenschaftliche Theorie in Einklang bringen.

Nach der zweijährigen Projektlaufzeit wollen die Forschungspartner einen unternehmensspezifischen Prozess vorlegen, mit dessen Hilfe das Unternehmen die relevante Datenerfassung und Aufbereitung so strukturieren kann, dass international anerkannte Standards bei der Treibhausgas-Bilanzerstellung erfüllt werden. Dabei werden Standards wie das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol), oder die Normenreihe ISO 14064 (14064-1, 14064-2, 14064-3), oder der GRI 305 aus dem Standard der Global Reporting Initiative (GRI) berücksichtigt.

(Erstellt am 22. März 2023 16:46 Uhr / geändert am 22. März 2023 16:51 Uhr)